Pharma Marketing 2024: In 8 Zügen zu effektiver Digital-Kommunikation
Lesezeit: 23 Minuten
Das gute alte Pharma Marketing – schon immer ein Sonderfall gewesen, wo das Einmaleins des Marketings an seine Grenzen stößt: Einschränkungen durch Arzneimittel- und Heilmittelwerbegesetz, häufig „unschöne“ Themen, viele heterogene Zielgruppen von Patient:innen über Ärzt:innen bis hin zu Krankenkassen – leicht war es noch nie.
Und jetzt, nach ein paar Jahren Erfahrung mit den (nicht mehr ganz so) neuen Möglichkeiten des Digital Marketings, stellt sich die Frage: Leben wir im besten oder im schlechtesten Marketingzeitalter?
Vermutlich lautet die Antwort - wie man’s nimmt:
- Hypes, Kanäle, Tools kommen und gehen. Klassiker wie Suchmaschinenoptimierung (SEO) beherrscht die Branche noch immer nicht. DSGVO, HWG und www im Zusammenspiel lassen ungeklärte Grauzonen. Ergo: Die Komplexität steigt.
- Auf der anderen Seite lässt sich die Wirkung von Maßnahmen in Realtime messen, die Zielgruppenkommunikation ziemlich genau segmentieren, Medical SEO ermöglicht Direktkommunikation zu Patient:innen selbst für Tabuthemen – die Chancen sind da.
- Und jetzt kommen noch KI und ChatGPT hinzu, deren Tragweite noch nicht ganz abzuschätzen ist: Segen für Effizienz und Skalierung oder sind die Erwartungen zu übertrieben? In jeden Fall ein weiterer Touchpoint entlang der Patient Journey.
Ja, Chancen sind zweifellos da. Aber sie müssen auch genutzt werden, denn der Zugang zu HCPs (Healthcare Professionals wie Fachärzt:innen, Praktiker:innen etc.) wird immer schwieriger: Auch sie wissen digitale Medien zur Informationsbeschaffung zu nutzen, der ohnehin von ihnen ungeliebte Außendienst von Pharmakonzernen verliert an Relevanz [1].
HCPs meinen auch, Beratungsqualität und Wissen heutiger Pharmareferent:innen sei spürbar gesunken. Dennoch fließen ca. 88% der Sales- und Marketingbudgets in den Außendienst [2]. Bei gleichzeitig wachsendem Wunsch nach Mitbestimmung der Patient:innen – Schlagwort „der aufgeklärte Patient“ – und einem Teufelskreis aus Preisdruck durch Staat und Krankenkassen, sinkenden Durchbrüchen in F&E, steigendem Druck aus und im Generikaumfeld.
Zeit umzudenken? Nun, wer die Entwicklung nicht erkennt und die Transformation hin zum Digital Pharma Marketing nicht schafft – der läuft in der Tat Gefahr, auf „das schwierigste Zeitalter aller Zeiten“ zuzusteuern. So skizzieren wir in diesem Artikel 8 notwendige Züge hin zu einer effektiven Digital-Kommunikation für Pharma Marketing. Inklusive erster effektiver Anwendungsbeispiele für den Einsatz von KI.
Dies ist sicherlich keine abgeschlossene Auflistung. Zur Reduktion der Komplexität konzentrieren wir uns hier nur auf die B2C-Kommunikation, wo das größte Potenzial des Digital Marketings liegt. Doch für Ihren individuellen Fall braucht es eine Detailanalyse sowie eine maßgeschneiderte Strategie – kommen Sie gerne auf uns zu.
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Was ist überhaupt Pharma Marketing?
Pharma Marketing bezeichnet die Vermarktung von pharmazeutischen Erzeugnissen (z.B. Arzneimittel, Impfstoffe). In Deutschland unterliegt das Pharma Marketing viel stärker gesetzlichen Regulierungen als die meisten Produktklassen. Der Markt ist dermaßen reguliert, dass das freie Spiel der Marktkräfte teils außer Kraft gesetzt wird. Daher ist Pharma eine Marketing-Welt für sich – so wie Formel 1 und Autobahn verwandt und doch anders sind.
Das gilt vor allem für verschreibungspflichtige Medikamente (kurz Rx, abgeleitet aus dem Lateinischen recipe), die 87% des Umsatzes mit Medikamenten ausmachen [3]. Doch auch im Marketing von rezeptfreien Medikamenten (kurz OTC, Over-the-Counter, da sie über die Apothekentheke an Verbraucher:innen gehen) sind Besonderheiten zu beachten.
OTC-Produkte dürfen zwar in der breiten Öffentlichkeit beworben werden, jedoch stets mit dem Hinweis „Zu Risiken und Nebenwirkungen fragen Sie Ihre Ärztin, Ihren Arzt oder in Ihrer Apotheke“. Auch für die Packungen und Beipackzettel gelten Regelungen. Rx-Präparate hingegen sind nur auf Anordnung einer ärztlichen Fachperson erhältlich und dürfen nur in Fachkreisen beworben werden, unter keinen Umständen an Endverbraucher:innen (auch „Laienpublikum“ genannt).
Es gibt einfach zu viele Risikofaktoren, als dass der Gesetzgeber eine Selbstmedikation von Laien zulassen könnte: Was ist die optimale Dosierung für einen persönlich? Welche Nebenwirkungen sollten bei dem Gesundheitszustand besser gemieden werden? Wie ist die Verträglichkeit mit weiteren eingenommenen Medikamenten? Usw.
Eine Besonderheit des Pharma Marketings ist auch, dass eine Vielzahl an Marktteilnehmer:innen und Zielgruppen berücksichtigt gehört wie
- Ärzt:innen und Praxen
- Apotheker:innen
- Drogerieketten
- Großhandel
- Krankenkassen
- Krankenhäuser
- Endverbraucher:innen
- Angehörige
- Patientenverbände
Schließlich ist es ein Gebiet, in dem Frauen überproportional im Visier der Marketingaktivitäten stehen, denn ungefähr zwei Drittel aller Entscheidungen im Gesundheitsbereich werden von ihnen getroffen. Weswegen gar mancher Anbieter von Mitteln zur Steigerung der männlichen Potenz die Frau adressiert…
8 Züge zu effektivem Digital Pharma Marketing
(1) Über allem steht das Ziel
In der Regel legt die Gesamtstrategie das Ziel für einen gewissen Zeitraum fest. Doch es gibt auch den Fall, dass ein Ziel erst aus dem Zug (2) entspringt, wenn die Analyse neue Chancen identifiziert oder einen groben Zielkorridor näher eingrenzen lässt.
So oder so steht das Ziel hierarchisch oben, soll das Digital Marketing Programm effektiv werden. Denn hieraus bestimmt sich erst die Richtung und das Maß der Energie. Ohne Zieldefinition lassen sich die einzelnen Instrumente weder auswählen noch aufeinander abstimmen. Ohne Zieldefinition lässt sich nur willkürlich festlegen, wie viel Manpower und Budget investiert wird. Ohne klare Zieldefinition lässt sich nicht feststellen, ob das Marketing erfolgreich ist.
Daher steht über allem, das Ziel festzulegen und alle involvierten Personen darauf einzuschwören – Management, Produktmanagement, Agenturen, Consultants und Spezialist:innen.
Mögliche Ziele im Pharma Marketing sind vielfältig. Auch hier gibt es Umsatz-/Absatzziele. Weitere marktökonomische Ziele können Marktanteile, die Etablierung einer Preisposition, die Steigerung der Wiederkaufsrate oder die Marktführerschaft in einem Therapiegebiet sein.
Doch je kurzfristiger ein bestimmtes monetäres Ziel erreicht werden soll, umso schwieriger wird es bei Rx-Produkten. Die involvierten Zielgruppen wie Apotheken und Ärzt:innen sind nur langsam zum Umdenken zu bewegen. Bei OTC-Produkten sind auch kurzfristige Effekte leichter auszulösen. Produktmanager:innen werden in der Praxis dennoch in beiden Segmenten auch mal einzig nach dem Umsatz beurteilt, wenn vorgelagerte KPIs nicht erfasst werden.
Diese braucht es jedoch unbedingt, will man mit nachhaltig agierenden Wettbewerber:innen mitspielen. So genießen marktpsychologische Ziele (wie Wahrnehmung, Image oder Bekanntheit) im Pharma Marketing erfahrungsgemäß einen höheren Stellenwert als in vielen anderen Branchen und es wird primär auf sie hin optimiert. Im Autohandel kann ein Anbieter das Quartalsergebnis durch Rabatte, billige Leasingangebote und Vergünstigungen für Händler:innen schnell aufhübschen. Im Pharmasektor lassen es Regulatorik und langwierige Prozesse kaum zu.
Daher zahlen die Maßnahmen auf Ziele wie Image, Bekanntheit, Sympathie, Kompetenz, Verständlichkeit, Verwender:innentreue und -zufriedenheit ein. Denn eine starke Marke ist in vielfacher Hinsicht wertvoll, auch wenn die Effekte nur schwer isoliert zu messen sind:
- Bei Patient:innen und HCPs sorgt eine starke Marke für Wiedererkennung im wachsenden Produktangebot, sie beeinflusst die Preisbereitschaft und die Bindung.
- Apotheken ermöglicht sie einen verlässlichen Forecast ihrer Abverkäufe, Produkte haben ein geringeres Risiko, als Ladenhüter zu enden.
- Für das Unternehmen ermöglicht sie – neben den offensichtlichen Sales-Zielen – auch eine stärkere Verhandlungsposition gegenüber Krankenkassen und steigert den Unternehmenswert.
Der erste Punkt ist nicht zu unterschätzen. Denn am Ende bleibt HCPs im Arbeitsalltag nicht viel Zeit, sich zu allen möglichen Produkten zu informieren. Sie haben ihre „mentalen Schubladen“ – zur Behandlung von X haben sie nur einige wenige Produkte in der Schublade, von denen wiederum eins bis drei Top of Mind sind und regelmäßig ausdrücklich verschrieben werden.
Die konkreten Botschaften, die es zur Realisierung von Image-Zielen zu kommunizieren gilt, sind facettenreich:
- Zum einen kann es Aufklärung zu einer Krankheit, Diagnostik und Therapiemöglichkeiten im Allgemeinen sein.
- Oder zu neuen Studienergebnissen, dass diese Krankheit jetzt dank neuen Wirkstoffen besser zu behandeln ist.
- Oder dass neue Studien eine bessere Wirksamkeit, Verträglichkeit, schnellere Wirkung, weniger Nebenwirkungen, sichere Anwendbarkeit auch bei Kindern & Schwangeren etc. zeigen.
- Oder dass es eine neue Darreichungsform gibt – neben Tabletten jetzt auch als Kapseln.
- Oder dass eine etablierte Marke nicht mehr als vitalisierendes Mittel für die Herbsttage, sondern als Hilfe bei stressbedingter Erschöpfung repositioniert werden soll.
- Oder, gerade im OTC-Bereich, ganz einfache Ziele wie mehr Traffic auf der Website und jetzt bitte kaufen.
Zu beachten ist noch der Produktlebenszyklus. Innovator:innen genießen eine Marktexklusivität für die Dauer der Patentlaufzeit von 20 Jahren. Dies dient als Anreiz, das Investmentrisiko in Forschung und Entwicklung überhaupt einzugehen. Effektiv nutzbar sind davon meist 8 bis 13 Jahre, je nachdem wie schnell die Zulassung erteilt wird und ob Möglichkeiten gefunden werden, die Exklusivität zu verlängern.
So wandeln sich die Ziele in dieser Zeit:
- In der Einführungsphase gilt es, die Bekanntheit zu steigern und Vertrauen zu schaffen.
- In der Wachstumsphase sollen bestehenden Therapieangeboten Marktanteile abgenommen werden.
- In der Reifephase steht die Markendifferenzierung im Vordergrund, sprich Imagebildung als Prävention bald aufkommender Imitationen.
- In der Sättigungsphase schließlich geht es um den Markenrelaunch, um sich an veränderte Marktbedürfnisse anzupassen oder um mit einer neuen Darreichungsform/verbesserten Wirksamkeit (Indikationsergänzung) das Exklusivrecht zu verlängern.
- Einige wenige Rx-Präparate verfolgen gar die Option „Switch to OTC-Status“, die bei Unbedenklichkeit nach einigen Jahren möglich ist.
Exkurs: Strategisches vs. operatives Pharma Marketing
Die Erforschung von Wirkstoffen, die Durchführung von Studien zu neuen potenziellen Medikamenten und die Markteinführung selbst sind äußerst kostenintensiv, auch weil so manche Idee trotz aller Investments scheitert oder nicht zugelassen wird. Viele Produkte amortisieren sich nur dann, wenn sie weltweit vertrieben werden. So stehen hinter pharmazeutischen Erzeugnissen häufig internationale Konzerne.
Das strategische Marketing begleitet Produkte daher schon in der Arzneimittelentwicklung und evaluiert, ob das letztliche Medikament wirklich vielversprechend ist:
- Welchen Bedarf wird es erfüllen?
- Hat es wahrnehm- und kommunizierbare Vorteile bestehenden Behandlungsmethoden gegenüber?
- Ist das Marktvolumen überhaupt groß genug oder rechnet sich das Risiko nicht im Verhältnis zum möglichen Ertrag, wie es bei seltenen Krankheiten leider häufig der Fall ist?
Kommt das Produkt durch diese Phase, beschäftigt sich das strategische Marketing auch mit klassischen strategischen Fragestellungen wie USPs, Markenbild oder Preispositionierung, die meist international einheitlich gehandhabt werden. Man bezeichnet es als die fünf Dimensionen der Positionierung (Wirksamkeit, Verträglichkeit, Benutzungsfreundlichkeit, Preis, Zielgruppe).
Je mehr es vom strategischen ins operative Pharma Marketing geht, umso mehr wird auf lokale Gegebenheiten adaptiert und das Produkt national vermarktet. Hier findet also die Konzeption von Kampagnen, die Selektion von Kanälen oder die Erstellung von Content statt.
Doch aus der Praxis wissen wir, dass bestimmte Images möglicherweise im US-Markt funktionieren, aber in Deutschland kaum ankommen werden oder manche von oben vorgegebenen Umsatzziele für den Schweizer Markt in kurzer Periode schlicht nicht machbar sind. Weswegen Konflikte innerhalb des Unternehmens nicht selten den Wettkampf am Markt in den Hintergrund rücken.
(2) Analyse der drei Kreise
Wenn klar ist, wohin man möchte, gilt es jetzt, sich mit den „drei Kreisen“ zu beschäftigen: Zielgruppe, Markt und eigenes Angebot. Vereinfacht geht es darum, Zielgruppen für das Marketing zu priorisieren, einzugrenzen und ihre Bedürfnisse zu verstehen. Das Potenzial, den Wettbewerb und seine Marketing-Maßnahmen zu überblicken. Sich der eigenen Stärken, Schwächen und Möglichkeiten bewusst zu werden, um sie ins Verhältnis zu setzen.
Möglichst effizient muss kognitive Glanzleistung erbracht werden. Es gilt, sich tiefgehend mit den drei Kreisen zu beschäftigen, um schließlich mit dem goldenen Insight aus der Analyse wieder aufzutauchen:
- Welche entscheidende Stärke des eigenen Produkts lässt sich wie in einer spannenden Opportunity spielen (z.B. unbefriedigte Bedürfnisse, unbesetzte Kommunikationskanäle, so noch nicht gesehene kreative Werbung)?
- Oder wie lässt sie sich gegen eine Schwäche der Konkurrenz einsetzen?
Hierzu braucht es eine tiefergehende Analyse, denn zu flache Insights werden die Strategie nicht nachhaltig tragen – oder man wird sogar sehr früh scheitern. Doch das Stichwort ist Effizienz. Einerseits um Mittel zu schonen, um sie später für die Außenkommunikation einzusetzen. Andererseits um schneller als der Wettbewerb zu sein. Wie heißt es so schön:
„By the time the rules of the game are clear, the windows of opportunity have closed.”
Gerade in Sachen Geschwindigkeit hat das klassische Pharma Marketing einen Schwachpunkt – nicht zuletzt auch deswegen, weil nahezu alle Beteiligten einen naturwissenschaftlichen Background haben und alles gerne doppelt und dreifach erforscht haben wollen. So notwendig diese Prinzipien in der F&E-Phase sind und sich grundsätzlich keine Leichtfertigkeit einschleichen darf, ist der klassische Weg aus Marktforschung, Focus Groups, Panels zum Benchmarking etc. viel zu umständlich, will man sich digital Wettbewerbsvorteile sichern.
Es gibt Mittel und Methoden, die Research-Phase zu beschleunigen:
- Kein Weg führt vorbei an der Modellierung der digitalen Patient Journey und der Analyse des Suchverhaltens bei „Dr. Google“, siehe Zug (3). Die verwendeten Keywords liefern quantitativ und qualitativ Einblick in Bedürfnisse von Patient:innen.
- Die ausgespielten Ergebnisse in den Suchergebnissen zeichnen ein exaktes Bild, mit wem man digital um die Aufmerksamkeit konkurriert: Welche Plattformen, Unternehmen, Krankenhäuser, Verbände etc.
- Die Vertiefung dieses Schritts wiederum gibt Aufschluss zu eingesetzten Budgets in SEO, SEA, Websites, Kampagnen, zu KPIs wie Website-Besucher:innen und Sichtbarkeit bei Google. Zu den an HCPs und Öffentlichkeit gesendeten Botschaften.
- Social Listening, d.h. die anonymisierte Auswertung von Selbsthilfeforen, Facebook-Gruppen, Blogs usw., ermöglicht noch tieferes Verständnis für Patient:innen und Angehörige.
- UX-Prototypen von Websites oder Kampagnen-Zielseiten – optisch und mit Inhalten aufbereitet, doch ohne die mühsame Entwicklung eines CMS im Hintergrund – lassen verschiedene Positionierungs- oder Kreativansätze früh und remote in der Zielgruppe testen.
- Nein, lassen Sie ChatGPT bitte keine Zielgruppenanalyse durchführen. Das Ergebnis klingt vielleicht schlüssig, ist aber von der Tiefe in etwa auf dem Niveau der Praxiswoche in der gymnasialen Oberstufe. Doch lassen Sie sich die führenden Anbieter in Ihrem Metier von der KI mal auflisten, nach Stärken clustern etc. Sie erhalten ein interessantes Abbild, was das Web als Ganzes von Ihrer Brand hält.
Mit der Analyse der drei Kreise stellt man sich den essenziellen, gängigen Fragestellungen wie unter anderem: Sind die Zielgruppen richtig gewählt und verstanden? Welche Probleme löst man konkret, welche sind noch unbefriedigt? Sind die gewählten Produkte dafür geeignet? Welche Marktchancen und Trends sollte man berücksichtigen? Was macht die Konkurrenz erfolgreich? Welche Kanäle sollte man einsetzen, sie wie untereinander gewichten?
Man fühlt sich anfangs in der Analyse schon mal verloren, das Feld scheint unüberblickbar. Doch mit der richtigen Intuition ausgestattet stößt man schnell auf den einen Insight, der das Denken verändert: Noch immer steht nicht der perfekte Plan. Aber ab dem Zeitpunkt trägt man in sich dieses Gefühl zu wissen, was zu tun ist – wie Michael Corleone im dritten Akt von Godfather II.
Exkurs: HWG, AMG & Co. – gesetzliche Regulierungen im Pharma Marketing
Während in den USA auch verschreibungspflichtige Medikamente an Laien vermarktet werden dürfen, ist Werbung im Gesundheitsbereich in Deutschland und Europa stark reguliert. Zu beachten gilt es insbesondere das Arzneimittelgesetz (AMG) und das Heilmittelwerbegesetz (HWG).
Im AMG ist der Begriff Arzneimittel definiert. Es handelt sich hierbei um Stoffe oder Zubereitungen aus Stoffen, die zur Anwendung an Menschen oder Tieren bestimmt sind und mit dem Ziel der Heilung, Linderung oder Verhütung von Krankheiten, Beschwerden, zur Wiederherstellung physiologischer Funktionen oder zur Stellung einer Diagnose verabreicht werden. Sie dürfen nur über Apotheken vertrieben werden (Ausnahmen: freiverkäufliche Arzneimittel wie Heilerden und Pflaster sowie Arzneimittel für Tiere, die Tierärzt:innen abgeben dürfen).
Das AMG dient dem Schutz der Gesundheit der Bevölkerung, Verstöße werden streng geahndet und stellen zum Teil Straftaten dar. Es unterscheidet verschreibungsfreie Arzneimittel, die ohne Rezept in der Apotheke gekauft werden können, und verschreibungspflichtige Arzneimittel, für die es ein von Ärzt:innen verordnetes Rezept braucht.
Das HWG gilt für Arzneimittel – es umfasst aber auch Medizinprodukte sowie weitere Mittel und Verfahren, die Werbeaussagen machen in Richtung Erkennung, Beseitigung oder Linderung von Krankheiten, Leiden, Körperschäden sowie für operative plastisch-chirurgische Eingriffe. Das HWG unterscheidet, ob sich die Werbung an Fachkreise (Ärzt:innen, Apotheken, Pflegepersonal, Rettungsassistent:innen etc.) oder an die Zielgruppe außerhalb richtet.
Für verschreibungspflichtige Arzneimittel darf nur in Fachkreisen geworben werden. Auch darf außerhalb von Fachkreisen nicht geworben werden, wenn sich Krankheiten oder Leiden auf die Indikationen Infektionskrankheiten, Krebserkrankungen, Suchterkrankungen und Komplikationen während der Schwangerschaft beziehen.
Nach HWG ist irreführende Werbung grundsätzlich unzulässig, vor allem in Bezug auf Wirksamkeit, Erfolgszusicherung, Beschönigung von Nebenwirkungen oder Unwahrheit. Weitere wichtige Einschränkungen sind noch, dass außerhalb von Fachkreisen nicht mit bekannten Personen geworben oder überwiegend an Kinder unter 14 Jahren vermarktet werden darf.
Zu nennen sind auch das Sozialgesetzbuch 5 (SGB V), das die Leistungserstattung durch gesetzliche Krankenkassen regelt und das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG), was für sämtliche Produkte gültig ist. Für Nahrungsergänzungsmittel ist das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit zuständig.
Schließlich gilt seit 2004 die Freiwillige Selbstkontrolle Arzneimittelindustrie (FSA), der Verhaltenskodex der pharmazeutischen Industrie, als eine Reaktion auf das Image der Branche, das in der Vergangenheit stark gelitten hat. Hier ist der Umgang mit medizinischen Fachkreisen und Patientenorganisationen geregelt. Abgedeckt werden unter anderem Felder wie Beeinflussung von HCPs, Transparenz und verdeckte Werbung. Verstöße werden mit bis zu 400.000 Euro zugunsten einer gemeinnützigen Einrichtung geahndet.
(3) Modell der Digital Patient Journey
Die digitale Patient Journey zu analysieren und abzubilden gehört zu den Must-Haves im Pharma Marketing. Das Modell stellt den Patienten bzw. die Patientin in den Mittelpunkt, liefert Daten und bietet allen Projektbeteiligten ein visualisiertes Verständnis der Krankheit als Basis.
Es bündelt Insights zu:
- Wann tritt die Krankheit auf? Wer ist vor allem betroffen?
- Wie wird die Diagnose übermittelt?
- Gibt es vorherige Symptome oder Vorstufen?
- Was sind die kritischen Stellen, an denen sich Patient:innen oder Angehörige für z.B. einen Therapieweg entscheiden?
Wenn man sich hiermit auseinandersetzt, versteht man erst die Krankheit und Betroffene. Es kristallisieren sich verschiedene Segmente heraus, die verschiedene Stimmungen haben, aus verschiedenen Kanälen einsteigen und verschiedene Ziele verfolgen: z.B. Segment Diagnose frisch erhalten & braucht Orientierung vs. Verzweifelter auf Suche nach neuer Hoffnung vs. chronisch Kranker, der über Sport und Ernährung den Umgang mit seinem Leiden optimieren möchte.
Das Suchverhalten bei Google ist hierzu eine Goldgrube, um Patient:innen zu verstehen. Nirgends sind sie so ehrlich wie in der Situation alleine mit sich und Dr. Google. Wie häufig bestimmte Begriffe gesucht werden, ist schon mal äußerst aufschlussreich. Doch dahinter verbirgt sich noch viel mehr:
Wird beispielsweise wenig nach der Krankheit plus dem Begriff Symptome gesucht im Verhältnis zum Suchvolumen des Oberbegriffs, deutet es auf Mangel an Aufklärung zu Risikofaktoren etc. hin.
Fällt das Suchvolumen entlang der Patient Journey plötzlich steil, kann es ein Zeichen sein, dass ab dem Zeitpunkt der „mündige Patient“ in den Hintergrund tritt und Ärzt:innen ab jetzt den weiteren Verlauf stimmen.
Der Zoom auf die Intention hinter Suchbegriffen zeigt die emotionale Lage und Details im Gefühlsleben der Menschen. Das wiederum lässt Rückschlüsse zu, wie sie von Marken angesprochen werden wollen.
Spannend ist auch, wie Behandlungsmethoden im Web gesehen und diskutiert werden. In dem Zuge auch, mit welchen Begriffen kombiniert die Menschen Ihre Marke googlen.
Das digitale Suchverhalten: Modell der Patient Journey zu Osteoporose
Sie erhalten also Ansätze sowohl für Kund:innenneugewinnung als auch für -bindung und -rückgewinnung. Schließlich zeigen Untersuchungen (allerdings über Branchen hinweg), dass es sechs bis acht mal teurer ist, einen neuen Kunden bzw. eine neue Kundin zu gewinnen als einen zu halten. Verlorene Stammkund:innen zurückzugewinnen ist immer noch doppelt so effizient wie die Akquise von Neukund:innen. Gerade beim Pharma Marketing für chronische Krankheiten ist der Return on Investment bei Stammkund:innen häufig der stärkste. Daher wird zunehmend in Bindungsprogramme und Apps investiert, die z.B. auf Besonderheiten bei der Anwendung hinweisen, an die Einnahme erinnern oder Tipps zu Lagerung und Entsorgung geben.
Die Insights aus dem Suchverhalten bei Google werden schließlich mit Insights aus Social Listening zusammengeführt. Dabei handelt es sich um anonymisierte Auswertungen von Erfahrungsberichten, Selbsthilfeforen, Blogs, Social Media Gruppen, Online-Tagebüchern etc. Diese Form des 2nd Desk Research ist äußerst effizient und liefert unverfälschten Einblick in Gedanken von Patient:innen und Angehörigen. Sie deckt aber auch die Sichtweisen von Meinungsbildern im Web auf.
Auch im Rahmen der Patient Journey werden Large Language Modell Kanäle wie ChatGPT, Google Bard und Co. immer spannender: Wie viele Suchen wandern hierhin ab? Welche User:innen nutzen diese Kanäle bevorzugt? Sind die eigenen Marken und Produkte präsent? Das Feld LLMO (Large Language Modell Optimization) steht in den Startlöchern.
Damit verwandt und doch anders ist die Search Generative Experience, die KI-gestütze Suche von Google, die nach und nach Einzug findet. Bei zahlreichen Suchen werden User:innen in Zukunft nicht mehr auf die blauen Links klicken und auf die Websites geführt, sondern ihre Antwort direkt von der Suchmaschine erhalten. Sichtbar bleiben nur noch wenige, exzellente Ergebnisse - alle austauschbaren Definitionen, Listungen von Symptomen etc. werden obsolet.
Die Digital Strategie muss all diese Touchpoints berücksichtigen, denn hier fallen die Kaufvorentscheidungen: Obwohl acht von zehn OTC-Produkten offline gekauft werden, greifen Patient:innen im Durchschnitt zuvor auf vier (!) Online-Informationsquellen zurück [4]. Spätestens mit der Einführung des E-Rezepts geht auch die Recherche zu Rx-Arzneimitteln in diese Richtung.
Bleiben noch Fragen offen, lassen sich Informationen jetzt zielgenau über klassische Befragungen ergänzen und mit bestehenden Insights aus der Marktforschung kombinieren.
(4) Match mit Content, Formaten und Kanälen
Irgendwann im digitalen Pharma Marketing kommt der Punkt, an dem Sie sich dem Thema Content stellen. Es ist das Lebenselixier des Internets, deswegen nutzen wir es alle. Wir wollen uns informieren und bilden, unterhalten und inspirieren lassen. Mal bestimmte Problemstellungen lösen, mal auf etwas stoßen, mal einfach nur die Zeit vertreiben.
Doch glauben Sie mir bitte, es mangelt den Menschen da draußen wahrlich nicht an austauschbarem Content zu Gesundheitsthemen. Zu den unzähligen klassischen Publishern gesellen sich Pharmaunternehmen, die auf Websites und in Social Media in erster Linie über sich selbst erzählen. Die hinzu ihre Ratgeber häufig flach oder strukturell nicht sauber aufstellen, sodass sie bei Google nicht gefunden werden. Oder sie in die sprachliche wie visuelle Tonalität von Medizinlexika packen.
Doch Sie haben jetzt entscheidende Vorteile, die sich aus den bislang dargestellten Zügen ergeben:
- Aus (1) Über allem steht das Ziel wissen Sie, wozu Sie Content schaffen wollen und können daher schon viele Wege ausschließen.
- Aus (2) Analyse der drei Kreise wissen Sie, was es zu Ihrer Marke zu erzählen gibt, was der Wettbewerb so treibt und wo User:innen auf was stoßen.
- Doch vor allem aus (3) Modell der Digital Patient Journey wissen Sie jetzt, was Ihre Zielgruppe wirklich bewegt. Sie wissen, in welchen Kanälen Sie sie finden und welche Ansprache es wann braucht.
Das Modell der Patient Journey ist schon die halbe Miete. Sie stoßen zu den Krankheiten auf hunderte mögliche Themen, die Spezialist:innen und Agenturen auf die Lead-Kanäle kreativ zuschneiden können. Letzteres ist jedoch ein entscheidender Punkt: Jeder Kanal braucht eine eigene Tonalität, ebenso jede Phase in der Patient Journey. Daher gilt für den Start „weniger ist mehr“: Etablieren Sie zunächst die zwei bis drei Kanäle mit dem größten Potenzial im Wettbewerb bei gleichzeitig hoher Nutzung der Zielgruppe, ehe Sie zu früh viele halbherzig pflegen.
KI-Tools wie ChatGPT sollten Sie gerade im medizinischen Bereich eher nicht einsetzen, um Ihren Content-Output anzukurbeln. Es scheint verlockend, doch das wird nach hinten losgehen. Die Inhalte werden voller falscher Aussagen sein und am Ende des Tages Reproduktion von dem, was im Web schon ist - nah an "Duplicate Content".
Doch wenn Sie einen einzigartigen und inhaltsstarken Content haben - z.B. einen 1A Blog-Artikel - bieten die neuen KI-Tools durchaus Möglichkeiten, ihn einfach zu vervielfältigen für die weiteren Kanäle: 200 Wörter als Teaser für den Newsletter, 20 für den LinkedIn-Post, 100 für das Rich Snippet bei Google.
Exkurs: Pharma Marketing & die 4 P
Häufig wird Marketing über die 4 P erklärt: Product, Place, Price und Promotion. Wenn man das Keyword „Pharma Marketing“ mal bei Google eintippt, begegnen sie einem auch in den ausgespielten Suchergebnissen. Schließlich zählt es zu den Grundlagen und die Publisher geben auch gerne einfache Grundlagen wieder. So werden für Promotion Maßnahmen wie Plakatwerbung, TV-Spots, Werbe-Goodies etc. aufgezählt, für Price Rabattaktionen und Ähnliches.
Nur sind diese Grundlagen aus Einführungsbüchern leider nicht so leicht auf Pharma übertragbar:
- „Product“ z.B. ist in vielen Fällen identisch, wenn ein Patent abgelaufen ist und Generika auf den Markt kommen.
- „Place“ ist klar reguliert – Apotheken (in manchen Fällen auch Drogerien), bei Rx-Medikamenten kommt die zwischengeschaltete ärztliche Fachperson hinzu.
- Dann richtet sich „Promotion“ an alle Marktteilnehmer:innen: Ein Mittel zur Behandlung von Hepatitis C, wo die Packung 14.000 € kostet, aber besser wirkt und der Krankenkasse womöglich die Kosten einer Lebertransplantation spart, verkauft man nicht über „Print“ oder „Social Media“.
- Schließlich ergibt sich „Price“ oftmals nicht aus Angebot und Nachfrage, sondern ist das Ergebnis von Verhandlungen zwischen Anbietern und Krankenkassen, hängt stark vom Zeitpunkt bis zum Ablauf des Patents ab oder davon, wie die Zuzahlung des letztlichen Anwenders bzw. der Anwenderin ausfällt etc.
Dementsprechend gestaltet sich die Kommunikationsstrategie mit dem optimalen Marketing-Mix viel schwieriger, Standardmodelle sind, wenn überhaupt, nur im OTC-Bereich hilfreich. Sollten also die Impulse einer Agentur nicht tiefer gehen als SEA, Facebook und Co. aufzulisten, swipen Sie besser nach links.
(5) SEO als Schlüssel zur Awareness trotz HWG
Der Trend zum „mündigen Patienten“ ist unaufhaltsam. Gesundheit gewinnt in der Gesellschaft immer mehr an Stellenwert, die „neuen älteren Generationen“ sind digital bewandert. Doch auch die Skepsis dem Gesundheitssystem gegenüber nimmt zu.
Wurde die Produktauswahl bislang im Rx-Bereich vordergründig durch HCPs getroffen, steigt der Einfluss der Patient:innen. Sie sind zunehmend informiert und vernetzt. Die Beteiligung an den Arzneimittelkosten motiviert zusätzlich, Ärzt:innen gezielt anzusprechen, ein bestimmtes Arzneimittel zu verordnen:
- „Ich habe gelesen, dass…“
- „Auch wenn meine Krankenkasse dagegen ist…“
- „Kennen Sie schon die neue…“
- „Wenn es um meine Gesundheit geht, dann bitte nur das Beste – ich zahle ja meine Beiträge…“
Doch wie finden Patient:innen zu Ihren Produkten, wenn diese nach HWG nicht beworben werden dürfen? Besonders wirkungsvoll ist Google, im One-on-One wie zur Generierung von Multiplikatoren über Word-of-Mouth.
38% der Patient:innen nutzen Google vor dem Termin beim HCP [5], 71% informieren sich eigenständig über Medikamente um die Diagnose oder Therapie besser nachzuvollziehen (34% teils auch um die Empfehlung in Frage zu stellen) [6]. Für OTC-Produkte ist es relativ einfach, Sie können sich Anzeigen in Google Ads einkaufen (wenn es hier auch zu einem harten Wettkampf um Klickpreise, Conversions etc. kommt).
Doch vor allem im Rx-Marketing ist SEO unverzichtbar, der Kampf um die ersten nicht gekauften Positionen in den Suchmaschinen strategisch notwendig. Denn im Gesundheitsbereich liegen diese in der Regel über den bezahlten Anzeigen, sofern Ads überhaupt ausgespielt werden. Gewisse Praktiken sind schließlich untersagt, gewisse Themen und Leistungen können schlicht nicht beworben werden – wie z.B. Behandlungen für Darmkrebs. So erlaubt Google Ads zu Keywords wie „Darmkrebs Behandlung“ oder „Leukämie heilbar“ keine Anzeigen für Arzneimittel.
Allerdings ist Medical SEO eine Disziplin für sich. Hier ist Google in den Kriterien an Websites besonders streng und wendet das sogenannte E-A-T-Konzept an. E-A-T ist ein Akronym für Expertise, Authority, Trustworthiness, die von Google genutzt werden, um Domain, Artikel und Inhalte zu bewerten. Heißt: Es kommt bei Weitem nicht nur auf Keywords und SEO im engeren Sinne an.
Zuletzt wurde das Akronym gar um Experience zu E-E-A-T erweitert. Das Konzept differenziert so zwischen KI-Inhalten und von Menschen mit echten Erfahrungswerten. Nehmen wir das Beispiel Hundeerziehung: Sprachmodelle haben in ihren Trainingsdaten genug Content, um eigenständig sieben Tipps zu generieren. Doch diesem Inhalt wird es an echten Anekdoten und Profi-Kniffen mangeln. Ähnlich wird Google künftig unterscheiden, ob die Ernährungstipps aus der Dose kommen - oder erkennbar das Team aus einem Adipositas-Zentrum mitgewirkt hat.
Haben Sie bitte Nachsehen, dass ich nicht das ganze Konzept an dieser Stelle wiedergeben kann, ohne den Rahmen dieses Beitrags zu sprengen. Dafür haben wir den Artikel zum Thema Medical SEO, der sich dem Thema vollumfänglich widmet.
(6) KI-Tool-Stack: Günstiger wird's nicht mehr
Die Subheadline ist etwas plakativ: Die Tools werden noch stärker, werden noch mehr Effizienz ermöglichen. Doch schon jetzt sind die Use Cases über die schon erwähnte, naheliegende Content-Generierung hinaus beeindruckend. Gerade bei Content-Generierung ist nämlich Vorsicht gefragt. KI kann ein hervorragender Assistent sein, doch der Content wird sich weiter nicht von selbst erstellen lassen.
Was aber jetzt auf Knopfdruck geht: Automatisierung bestimmter Schritte in der Analyse. In der Praxis lassen wir bereits in realen Kund:innenprojekten unsere 100 wichtigsten Seiten automatisiert mit dem Wettbewerb abgleichen: Was machen wir besonders gut? Was haben wir übersehen? Das Content-Team ist begeistert von den Optimierungstipps.
Nehmen wir beispielsweise Tools wie Google Search Console oder Google Analytics. Wer nicht regelmäßig mit ihnen arbeitet, fühlt sich von den vielen Möglichkeiten überfordert. So lassen gerade "Entscheider" gerne mal wertvolle Insights liegen, weil sie die Bedienung überfordert. Richtig an ein Sprachmodell angeschlossen ist es jetzt ein Klick auf einen Button - oder gar das Tippen in den Chat:
- Wonach haben die Leute im letzten halben Jahr im Zusammenhang mit unserer Marke am meisten gesucht?
- Welche Seiten ziehen die meisten Besucher an?
- Wie viele beginnen den Kaufprozess, doch brechen ihn dann ab?
Doch auch im Visuellen ermöglichen Tools wie Midjourney, dass Kampagnen-Konzepte häufig deutlich effizienter visualisiert werden. In manchen Fällen wird gar das finale Motiv per KI generiert - authentisch, emotional, aber ohne Shooting-Kosten. Oder es wird ein konsistenter Look für die Fotos auf der Website geschaffen - ohne Lizenzgebühren an Stock-Anbieter für Testimonials, die ihr Gesicht schon für alles und jeden hingehalten haben.
KI-Bilder von Return: Das Ergebnis ist sogar zu gut und benötigt im nächsten Schritt bei Photoshop ein Downgrade.
Praixsbeispiel KI-Bilder im Online-Shop: Der Anbieter schafft kostengünstig einen eigenen Look.
(7) Konzept für Below-the-Line
Grundsätzlich ist es im Marketing selten ratsam, mit der Tür ins Haus zu fallen. Es gilt, zunächst Probleme in der Zielgruppe flächendeckend bekannt zu machen. Zu spiegeln, dass Bedürfnisse verstanden sind, und Lösungen aufzuzeigen, ehe die Details des eigenen Produkts gespielt werden. AIDA, Marketing Funnel, Customer Journey – es gibt viele Buzz Words, die dieses Prinzip ausdrücken.
Doch vor allem im Pharma Marketing muss man in einer frühen Phase die Diskussion betreten, will man zu Endverbraucher:innen kommunizieren – denn jegliche Produktwerbung an Patient:innen ist bei Rx-Arzneimitteln durch das HWG untersagt. Eine Produktwerbung kann selbst dann vorliegen, wenn der Name nicht genannt wird und nicht direkt darauf eingegangen wird.
Daher braucht es in der ein oder anderen Form in jeder Marketingstrategie ein Konzept, wie Below-the-Line kommuniziert wird. Below-the-Line meint in dem Fall (angelehnt an Wikipedia) „mittels unkonventioneller Kommunikationswege und -maßnahmen, die Zielgruppen direkt und persönlich anzusprechen. Darum wird Below-the-line-Kommunikation meist vom Konsumenten nicht direkt als Werbemaßnahme wahrgenommen.“
Ein Ansatz kann sein, eine Rx-Website als Disease-Website aufzuziehen. Diese Form der Website konzentriert sich nicht auf ein Produkt, sondern es wird Aufklärung über ein Krankheitsthema betrieben. Menschen werden für Prävention oder Checks sensibilisiert, der Krankheitsverlauf erklärt, Behandlungsmöglichkeiten und Heilungschancen diskutiert usw. Dabei ist ein ausgewogenes Bild wichtig, das auch nicht-medikamentöse Therapien abdeckt.
Beispiel für eine Disease-Website: Osteoporose.de von Amgen
Der Absender wird für Brand-Effekte und für volle Transparenz mit Logo geführt, doch dezent im Hintergrund gehalten. Hier geht es nicht um monetäre Ziele – zumindest nicht vordergründig. Man bringt aber gewisse Therapieansätze ins Gespräch, mit Argumenten und Tendenzen ausgestattet durchläuft die Zielgruppe fortan die weitere Customer Journey mehr in Ihrem Sinne.
Hinzu bietet der Ansatz Chancen sowohl im SEO als auch in emotionaler Sprache:
- Man interagiert mit einem bestimmten Segment, kann dementsprechend die Marketing-Botschaften genauer auf Demographie, emotionale Situation etc. abstimmen, als dies auf einer allgemeinen Website des Unternehmens möglich ist.
- Man konzentriert sich auf ein konkretes Feld, das man jedoch breit abdeckt – was im SEO äußerst vorteilhaft ist. Denn man konkurriert jetzt nicht mit allgemeinen Gesundheitsratgebern wie Apotheken-Umschau, Netdoktor und Co, sondern positioniert sich als der Experte für Thema X.
Auch beinhaltet ein vollständiges Below-the-Line-Konzept, wo und wie weitere Themenfelder über den Kern hinaus in die Kommunikation integriert werden. Angrenzende Themen können äußerst wertvoll sein, um die Zielgruppe auf eine Website und in den Kontakt zum Absender zu führen.
Angenommen, eine Disease-Website widmet sich der Linderung von Wechseljahresbeschwerden und das Rx-Produkt an sich darf nicht beworben werden. Doch ein Ratgeber-Bereich schafft über SEO Reichweite, indem er Suchanfragen wie „Schlafstörungen Menopause“ auffängt.
Ist diese Frage jedoch beantwortet, sinkt die Motivation der Besucherin schnell, sich noch weiter mit Wechseljahren zu beschäftigen. So sehr die Website Expertise ausstrahlt – die Zielgruppe hat nicht nur Menopause im Kopf. Findet sich jedoch auch ein Artikel zu „Morgengymnastik für Frauen ab 40“, erhöht es die Interaktionen auf der Website und assoziiert die Marke mit positiven Eigenschaften jenseits von Beschwerden. Dies entspricht auch dem Zeitgeist, jetzt da sich viele Pharmaunternehmen vom Arzneimittelhersteller zum Gesundheitsanbieter wandeln.
Außerhalb der Website lassen sich diese Themenfelder ebenfalls effektiv einsetzen, um Reichweite zu generieren: Für den Mann ist womöglich ein positiv angehauchter Artikel der bessere Eisbrecher in Facebook oder auf Display Ads als gleich mit Potenzproblemen aufzufahren.
Es braucht also ein Below-the-Line-Konzept, das nicht gegen das HWG verstößt, aber dennoch offensiv genug ist, um wirken zu können. Daher gilt es, spätestens bei diesem Zug Legal und den Informationsbeauftragten hinzuzuholen – und sich schon vorher mit diesen gutzustellen. Der oder die Informationsbeauftragte verantwortet nämlich, dass wissenschaftliche Informationen, Packungsbeilagen und die Inhalte in der Werbung übereinstimmen. Oder im Klartext, ob die Werbung zulässig ist.
(8) Das Ass des Digital Pharma Marketing: Return messen
Traditionell tut sich das Pharma Marketing schwer damit, die Wirkung der Maßnahmen zu messen. Es werden klassisch Studien zur Markenbekanntheit wie Brand Recognition, Recall Tests oder Position im Consideration Set durchgeführt. Nur ist Bekanntheit an sich kein Garant für Umsatz und Erfolg.
Marktanteile und Umsatz-Performance werden ebenfalls gewissenhaft erfasst. Doch Markeninteraktion und Point-of-Sales sind meist zeitlich wie räumlich so weit voneinander getrennt, dass die Ursache für eine Entwicklung oft einige Perioden zurückliegt. Mit der Konsequenz, dass man die Effektivität einzelner Instrumente oder Touchpoints kaum feststellen und nur zeitverzögert reagieren kann.
Im Digital Marketing hingegen gibt es ohne Ende Daten in Real-time – nur was sagt einem eine hohe Verweildauer auf der Website? Wie sind Impressionen im SEO ins Verhältnis zu setzen? Welchen Wert bemisst man KPIs, wenn auf Rx-Websites Produktimpressionen oder gar Abverkauf nicht stattfinden?
Tatsächlich sind die Daten kostbar, wenn man es schafft, sie in ein KPI-System zu stellen und vorgelagerte Marketingziele z.B. in Form einer Pyramide zueinander in Kontext zu stellen:
- So kann das strategisch oberste Ziel lauten: In einem bestimmten Segment „Brand of Choice“ sein – von HCPs und Patient:innen in der richtigen „mentalen Schublade“ verortet sein und dort an erster Stelle.
- Inwieweit man den Zielgrad im jeweiligen Quartal erfüllt hat, verraten Ergebnisse in Dimensionen wie Umsatz, Bekanntheit und Kundenloyalität im Nachhinein.
- Doch inwieweit man auf Kurs ist und wo man mit den digitalen Instrumenten gegensteuern kann – hierzu können KPIs der untersten Stufe Aufschluss geben, z.B. zu Wiederkehrer:innen, Newsletter-Anmeldungen und SEO-Sichtbarkeit. Die Bezeichnung „Key Performance Indikatoren“ enthält schon Sinn und Zweck dieser Daten.
Auf einer OTC-Website kann z.B. der Aufruf der Produktseite eine wichtige KPI sein mit einem Engagement Value von 10, der Klick auf den Apotheken-Finder den Value 30 tragen und der Download einer App mit 50 bemessen werden. Diese OnPage-Performance sollte ergänzt werden um ein zentrales Dashboard, z.B. in Google Data Studio, das die Entwicklung in Traffic, im SEO und in Google Ads Kampagnen mit wenigen Klicks für den gewünschten Zeitraum abbildet.
Beispiel eines Modell zur Erfassung des Engagement Values auf einer Pharma-Website
Auf einer Rx-Website hingegen kann der Einstieg auf eine SEO-Seite zum Keyword „Symptome“ den Value 1 haben, der Klick zum nächsten Artikel „Neue Darreichungsformen“ den Value 10 und der Download der Fragenliste für den Facharzt den Value 40.
Das sind jetzt hypothetische Beispielwerte, doch sie lassen das Prinzip nachvollziehen: Jetzt lassen sich die Marketingmaßnahmen sehr wohl messen und direkt optimieren. Es ist eine Entscheidungsgrundlage geschaffen zur Optimierung der Startseite, Investments in SEO, zur Beurteilung der Performance der Marketing-Agentur und nicht zuletzt zum Impact auf monetäre Top-Level-Ziele.
Fazit: Pharma Marketing wird digital, effektiv & messbar
Sind die acht vorgestellten Züge des Digital Pharma Marketings inklusive der Erfolgsmessung ausgeführt, haben Sie die Effektivität und den Nachweis, wieso Budget möglicherweise vom Außendienst ins Digital-Team verschoben gehört. Für Sie ist „das beste Marketingalter aller Zeiten“ angebrochen – auch wenn Ehemalige auf den Weihnachtsfeiern weiter von den Good Old Days der 80er schwärmen.
Doch es ist alles andere als einfach, insbesondere wenn über die Kommunikation zu Patient:innen hinaus noch die anderen Zielgruppen hinzukommen. Es braucht fortgeschrittene Expertise in strategischem Denken, im Pharma Marketing und in der Digital-Welt. Wenn Sie also ein Projekt mit ausreichend Komplexität zu bieten haben – kommen Sie gerne auf uns zu, dafür sind wir immer zu haben.