Segmentierungsstrategie im Marketing: So funktioniert E-Commerce heute

Lesezeit: 11 Minuten

Es gibt viele gute Gründe, Netflix zu mögen. Manche schätzen die Qualität der Eigenproduktionen, andere die Previews beim Stöbern. Ich persönlich habe Netflix zu verdanken, dass ich keine abstrakten Beispiele mehr brauche, um die Vorteile von Segmentierung und Personalisierung aufzuzeigen.    

Führend im E-Commerce ist vermutlich auch in dieser Disziplin Amazon, die 35% ihres Umsatzes über die empfohlenen Produkte generieren. Doch bis zu einer Recommendation Engine mit solcher Datenbasis und der Maschine Learning Power ist es ein langer Weg. Und Netflix zeigt auch: Trotz aller Personalisierung schaue ich mir Stromberg nicht zum achten Mal an und browse meist länger, als dass ich Videos schaue.  

In diesem Artikel möchte ich Ihnen erste Ansätze hin zu Ihrer eigenen State-of-the-Art Segmentierungsstrategie bieten. Zur Veranschaulichung beziehen wir uns auf den Anwendungsfall Online Shop. Die Kernideen sind allerdings branchen- und E-Commerce- übergreifend gültig. 

First things first: Rentiert sich der Aufwand?

»Im ernstzunehmenden E-Commerce zählt Segmentierung zum Survival Kit.«

Segmente zu identifizieren, sie in den entsprechenden Tools anzulegen, fortlaufend granular zu optimieren sowie Werbebotschaften und Aktionen mal X zu personalisieren – das alles ist nicht ohne. So ist es wenig verwunderlich, dass vielen Shop-Betreibern dieser Aufwand zu viel scheint. 

Doch so hart es klingt: Diese Denke beschleunigt in vielen Fällen den K.O. am Digital Markt. Segmentierung und im Anschluss Personalisierung sind nicht mehr das große Ding von Morgen. Im ernstzunehmenden E-Commerce zählen sie zum Standard und somit zum Survival Kit. Darüber hinaus handelt es sich keineswegs um ein neumodisches Phänomen des Internets.

Stellen Sie sich bitte vor, Sie sind einer dieser charmanten Oberkellner eines italienischen Restaurants. Instinktiv erkennen Sie, mit welchem Typ Kund:in Sie es zu tun haben und entsprechend reagieren Sie: 

  • Für die Weinkenner:innen nehmen Sie sich die Zeit und unterhalten sich über den letzten Jahrgang in der Toskana. Sie lassen ihnen den Raum, ebenfalls mit Fachwissen zu glänzen. Das danken sie Ihnen mit der Wahl der exklusiveren Flasche, Trinkgeld und dem erneuten Besuch am nächsten Freitag. 
  • Den Neulingen helfen Sie mit leichter Auswahl, damit sie vor der Begleitperson und vor sich selbst kein Gefühl der Überforderung erleiden. 
  • Und seien wir ehrlich: Den Stammkund:innen verkaufen Sie am Ende sowohl den üblichen Lugana als auch eine ähnlich anmutende Neuheit aus Ihrem Sortiment.

Dieses Zwischenmenschliche, die Empathie der Verkaufsperson, um auf Vorlieben und Signale zu reagieren, das gepaart mit seinem Instinkt beim Anblick der Kund:innen – das konnte der stumpfe E-Commerce der Nuller- und frühen Zehnerjahre nicht bieten. Dementsprechend wurde es zu häufig zum Schlachtfeld eines gnadenlosen Preiskrieges. 

Was 20 Jahre Gastronomie-Erfahrung beim Edel-Italiener der Stadt bringen, das sind Ihre Daten und Tools. Weil es eben nichts Neues ist, setzen auch 96% der Shops auf die eine oder andere Weise Segmentierung ein. 43% davon splitten auf sechs Segmente und mehr (Data & Marketing Association UK). Doch nur 8% der User:innen sind zufrieden damit, wie es umgesetzt wird. 

Wenn Zalando davon spricht, jedem Besucher und jeder Besucherin eine eigene Version des Shops auszuspielen, wissen wir, was die Stunde geschlagen hat. Schauen wir uns nun an, wie Sie strategisch in diesem Metier die Wirksamkeit anziehen können.

Stufe 1: Was geben die Daten her?

Es ist fast schon eine Philosophie-Frage, ob man vom Start weg nach Menschenverstand Segmente bildet oder das eingesetzte Tool lernen und herauskristallisieren lässt. Letzteres dauert länger und kostet erstmal Lehrgeld. Ersteres verfälscht die Erkenntnisse und lässt Goldstücke aus, die ein Mensch nicht identifizieren kann.  

Ich persönlich glaube nicht an das Entweder-Oder und habe es immer mit Projekten zu tun, wo Effizienz und schnelle Resultate dominieren müssen. Das heißt: 

  • Begleiten wir einen Shop oder eine Website in der Konzeption, werden verschiedene Segmente und Buyer Personas bereits hier berücksichtigt, unterschiedliche Key Messages und User Journeys ausgearbeitet etc. 
  • Liegt ein relativ erfolgreicher Shop mit reichlich Traffic- und Nutzerdaten vor, konzentrieren wir uns erstmal auf andere Quick Wins und Hebel, während das neu implementierte Tool zwei bis drei Monate lernt.  

Eine Symbiose beider Ansätze ist die manuelle Datenanalyse: Welche Segmente lassen sich identifizieren, die in der Vergangenheit besonders starke Conversion Rates oder Warenkörbe gezeigt haben? Welche funktionieren überhaupt nicht und werden schon in der Akquise reduziert? Welche Kundengruppen passen per se besonders gut zur Marke und dem Sortiment und woran erkennt man sie? So verbessert sich das Ergebnis vom Start weg und die Technologie kann jetzt in einem gesteckten Rahmen optimieren.

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Stufe 2: Segmentierung Schritt für Schritt anziehen

Das erste lauernde Risiko in einer jeden Segmentierungsstrategie ist vergleichbar mit dem Wiedereinstieg nach längerer Sport-Abstinenz: Die Ambitionen und Ziele sind groß, der Plan eben sportlich und in der Theorie auch machbar. Bis es früh anfängt zu zwicken, die bevorstehende Strecke ewig lang erscheint und nach dem Sprint immer vor dem nächsten ist. Doch die Erfolgserlebnisse lassen noch auf sich warten – und die Strategie verschwindet wieder in der Schublade. 

Woher kommt das? Nun, wenn man nur nach Kunden unter 45 und über 45 Jahren segmentiert, hat man schon doppelten Aufwand, der sich durch alles zieht: Doppelte Werbemittelkonzeption, doppelte Landing Pages, E-Mails, Optimierungen. Nehmen wir jetzt weitere Altersklassen, Geschlechter, Marketing-Kanäle und Bedürfnisse hinzu und Sie sehen:  

Es braucht einen realistischen und durchdacht priorisierten Umsetzungsplan. Andernfalls schnellt die Komplexität schnell in die Höhe, der Überblick geht verloren und die Aufwände können sich auch mit 0,05% höherer Conversion Rate nicht mehr amortisieren. 

Daher empfiehlt es sich immer, mit den Segmenten anzufangen, die signifikante Resultate versprechen, und schnell umsetzbare Personalisierung einzubauen. Wenn sich die gewünschten Effekte einstellen, hat man das Vertrauen und zieht Schritt für Schritt an. Die schwächer performenden Segmente verwirft man wieder und investiert die Arbeit in lukrativere. So erkennt man auch früh Schwachstellen im eigenen System aus KPIs, Tags und Labels.

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Quelle: Teradata E-Circle

Welche Klassifikationsmethoden setzen Sie zur Segmentierung Ihrer Kund:innen ein?

Stufe 3: Die Klassiker in jeder Segmentierungsstrategie

Wenn Sie ganz am Anfang stehen oder die Datenbasis noch keine verhaltensbasierte Segmentierung zulässt, überlegen Sie sich, wie die Klassiker auf Ihre Kundschaft übertragbar sind: Geschlecht, Alter und Location.  

Die Menge an potenziellen Segmenten ist unendlich, doch diese drei Klassiker lassen den Überblick bewahren, während man sich herantastet – und werfen fast immer signifikante Resultate ab. 

  • Geschlecht: Schauen wir uns den ersten Klassiker aus der Perspektive eines Weinshops an. Die meisten Weinshops haben unter den Käufer:innen einen Männerüberhang. Diese kaufen auch häufiger und geben dabei mehr aus. Also empfiehlt es sich, den eigenen Shop auf den Mann zuzuschneiden, beispielsweise mit größerem Fokus auf Motiven wie Kennerschaft und Prestige. 

Doch auch Frauen können sich zu hervorragenden Stammkundinnen entwickeln, insbesondere wenn die direkte Konkurrenz nicht segmentiert. Segmentieren wir beispielsweise bereits in der Kampagnen-Konzeption, können wir jetzt zwei Freundinnen im Garten als Hero-Bild einsetzen, den Rosé prominenter platzieren und ein vergünstigtes Probier-Paket an Stelle des prämierten Primitivos bewerben. 

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Das liest sich jetzt klischeebehaftet. Im realen Anwendungsfall gehen wir die Konzeption kreativer an und haben die Daten, die uns echte Unterschiede in den Präferenzen zeigen. Doch auch dann werden wir nicht jeder Besucherin gerecht. Wir erhöhen jedoch die Wahrscheinlichkeit, in der Masse besser zu konvertieren und den ROI zu optimieren. Und die Sommelières unter den Damen, die identifizieren wir im Verlauf der Customer Journey und sprechen sie gebührend an (siehe Stufe 5). 

  • Alter: Ein Sure Shot ist die Segmentierung nach verschiedenen Altersklassen. Weinliebhaber:innen 55 Jahre aufwärts haben ein anderes Budget zur Verfügung. Auch in der Experimentierfreude, der Loyalität und den Akquisitionskosten werden sich gravierende Unterschiede auftun.  

Dieser Klassiker wird daher eine der Säulen in der Segmentierungsstrategie. Die Frage ist nicht das ob, sondern wo die Differenzen in Motiven und Kaufverhalten sind und wie wir in der Personalisierung adäquat reagieren. 

  • Location: Nach ein paar Jährchen im E-Commerce hat man die kuriosesten Dinge gelernt. Zum Beispiel, dass die Schwaben verrückt sind nach den Lichtschaltern von Junghans und dem Hanseaten nur der Busch-Jäger ins Haus kommt, während für mich als Frankfurter alle Modelle gleich aussehen…

Im Weinhandel, wo die Produktherkunft ein intrinsischer Faktor ist, wird es nicht anders sein. Plus unterscheiden sich Regionen nach Kaufkraft. Location ist auch deswegen besonders wirksam, weil man schon in der Akquise am einfachsten segmentieren kann. 

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Stufe 4: Psychographische Segmentierung im Marketing

Der große Vorteil von Stufe 3 ist: Diese Segmentierung wirft immer einen signifikanten Uplift ab. Der Nachteil: Es ist zu vereinfachend und lässt Potenzial liegen. Individualität, Kundenpräferenzen, übliche Marktsegmente und Branchenspezifika finden keinen Platz. Diesem Ansatz nach wären King Charles und Ozzy Osbourne – beide männlich, englischsprachig, wohlhabend und 70 (oder inzwischen 80 oder 85?) Jahre plus – einem Segment zuzurechnen. 

Bei der psychographischen Segmentierung gehen wir auf die Einstellungen und Motive der Kund:innen ein. Hierzu reichen die Methoden vom Marktwissen, das man nur als Insider haben kann, bis zu Modellen wie beispielsweise den Limbic Types, mit denen man schnell erstmalig Cluster gebildet hat. 

Bei den Limbic Types teilen wir die Zielgruppe nach einem renommierten Ansatz in homogene Cluster ein und schauen, inwieweit ein Anbieter sich strecken kann, ohne sich zu verbiegen oder nicht mehr überzeugend zu sein. Der Weinshop beispielsweise kann die Typen Performer, Harmoniser und Genießer sehr wohl ansprechen. Doch für den Hedonisten ist er dann womöglich nicht mehr „hip“ genug. Klar könnte man auch dem Hedonisten seine personalisierte Version des Shops ausspielen, nur steht sie dann im Widerspruch zur sonstigen Kommunikation der Marke an Touchpoints, die nicht anpassungsfähig sind. Der hochgeschätzte Performer bekommt doch versehentlich diese Version, die ihn dann verstört: „Warum wirbt mein feiner Shop plötzlich mit YouTubern und grünen Haaren?“ 

Limbic Types: Segmentierung verschiedener Typen nach den drei Hauptmerkmalen "Stimulanz", "Dominanz" und "Balance".

Die Limbic® Types der Gruppe Nymphenburg adaptiert auf Weinkund:innen.

Die Identifikation kann über die Kaufhistorie erfolgen, wodurch Bestandskund:innen einen Tag erhalten oder durch das Targeting in der Kampagne: Diese Social Media Ads, jene Backlinks und die Schaltung von Display- und Video-Werbung anhand der Interessen „Heim und Garten“, lässt uns diese Art von Besucher:in dem Segment „Harmoniser“ zuordnen. Hier wird das Pärchen am Kamin im Hero-Picture angezeigt, nicht der alleinstehende prämierte Wein des Monats auf schwarzem Hintergrund.

Stufe 5: Segmentierung nach Phase in der Customer Journey

»... schließlich wollen Sie noch sicherstellen, dass ihr Shop für den einzelnen Besucher oder die Besucherin nicht blinkt wie ein Spielautomat...«

Theoretisch kann man Besucher:innen, die nach dem Keyword „Rotwein online kaufen“ suchen, in Segmente wie „Rotwein-Trinker“ und „Novize“ kategorisieren, während die Person, die explizit nach dem „Cantina di Soave Merlot Veneto“ gesucht hat, ein „Kenner“ zu sein scheint. Das kann noch psychographisches Targeting sein, ich selbst sehe es jedoch eher als Status in der Customer Journey. 

Weitere Segmente sind hier meist: 

  • Erstbesucher:in 
  • Wiederkehrer:in
  • Frische Neukundschaft 
  • Loyale Stammkundschaft 
  • Kundschaft, die verloren zu gehen scheint 
  • Lost Customer (btw: mehr zum Thema Kundenrückgewinnung - immerhin sechs bis acht Mal so günstig wie Neukundenakquise)

Oft genug schreien die Umstände danach, manche dieser Segmente früher anzugehen. Zumindest die Unterscheidung nach „Bestandskunde“ und „Anonymus“ ist in der Regel bereits in Stufe 3 zu verordnen. Doch wollen Sie hier das Potenzial komplett für sich nutzen, müssen Sie sich einem Berg an Komplexität stellen: 

  • Alle Phasen anlegen, die klaren Trigger finden und dabei den Kreislauf berücksichtigen, ab wann ein Customer wieder in einer frühen Phase ist. 
  • Festlegen, was wem ausgespielt wird: Wann wird jemand zur Abgabe einer Produktbewertung animiert, welchen verlorengehenden Bestandskund:innen wollen Sie für welchen Betrag halten (und wem wünschen Sie gerne auf Nimmerwiedersehen) und in welchen Fällen möchten Sie Ihren Shop vielleicht besonders günstig wirken lassen? 
  • Das Controlling, was wirtschaftlich ist und optimiert gehört und was nicht funktioniert. 
  • Und schließlich wollen Sie noch sicherstellen, dass Ihr Shop für den einzelnen Besucher oder die Besucherin nicht blinkt wie ein Spielautomat und E-Mails im Minuten-Takt versendet. 

Auch ist die manuelle Ausspielung von Botschaften in Stufe 5 längst ausgeschöpft. Dass der eine Käufer des Merlots einen Malbec aus derselben Region empfohlen bekommt, die nächste einen vorzüglichen Käse und der dritte eher über den Rezept-Tipp zu begeistern ist, weiß glücklicherweise die Recommendation Engine.

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Stufe 6: Verhaltensbasierte Segmentierung

Herzlichen Glückwunsch, spätestens jetzt sind Sie in der Champions League angelangt. Champions League heißt, auf dem Niveau spielt nur die Elite. Die Preisgelder sind immens, die Schere zwischen Arm und Reich geht auseinander. Doch Champions League heißt auch, die Augen sind auf Sie gerichtet. Jetzt haben Sie so viele Segmente im Einsatz, dass die Personalisierung definitiv spürbar wird. Auch wenn ein Besucher oder eine Besucherin nicht eingeloggt ist, wird deutlich, dass Sie über sie Bescheid wissen. Fehler werden jetzt bestraft. Falsche Botschaften wirken peinlich. Maßnahmen, die Stil und Diskretion vermissen lassen, treiben womöglich Ihre besten Kund:innen zur Konkurrenz. 

Der Kreativität sind jetzt keine Grenzen gesetzt. Es gibt die Standards, wie beispielsweise: 

  • Warenkorb stehengelassen und die entsprechende Erinnerungs-Mail, 
  • aber auch Kund:innen, die über vier Minuten stöbern, ohne einen Artikel in den Warenkorb zu legen und jetzt einen Schubs mit einem Coupon brauchen
  • oder diejenigen, die den Zeiger schon Richtung „Fenster schließen“ bewegen und dann das Banner angezeigt bekommen: „Sie haben Ihren gewünschten Wein nicht gefunden? Unser digitaler Sommelier Domenico hilft Ihnen gerne.“ 

Doch es gibt auch fortschrittliche Ansätze, die unzählige Variablen kombinieren: 

  • Wir haben Freitagabend, der Besucher ist aus dem Breisgau – und dort hält der eiskalte Regen schon ein paar Stündchen an. Zeit, in eine warme, gemütliche Phantasie-Welt abzutauchen. 
  • Oder Hans mit dem besonders hohem Customer-Lifetime-Value hat nur zwei Sterne bei seiner Bewertung abgegeben. 
  • Der nächste Besucher ist über eine Preisvergleichsseite eingestiegen, das Repricing-Tool hat seinen Job gemacht. Dem Besucher wollen wir einerseits den Eindruck vermitteln, dass er einen Shop mit hervorragendem Preis-Leistungsverhältnis gefunden hat. Doch keineswegs bekommt er weitere 20% geschenkt, denn die Erfahrung zeigt, dass diese Kund:innen illoyal sind und das nächste Mal wieder über PPC-Marketing und Prozente von Neuem gewonnen werden müssen. 
  • Ist hingegen ein Besucher über die Verlinkung aus einem Wein-Blog eingestiegen und surft just auf dem neuesten iPhone im WLAN des ICE, dann darf der erste Kauf gerne mit einem Coupon gesichert werden, der vielleicht sogar einen negativen Deckungsbetrag verursacht. Über die Kundenbeziehung hinweg wird das doppelt und dreifach wieder reingeholt. 
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Stufe 7: Die Segmente skalieren

»Ob nun das fancy english wording oder Genießer aus der Vorstadt erklingt, ist irrelevant. Wichtig ist, dass von nun an die Strategien hier entspringen.«

Bevor Segmentierung eingeführt wurde, sprach man im Unternehmen noch von „dem Kunden“, vielleicht auch schon unterteilt nach Bestandskund:innen und Neukund:innen. Ab Stufe 1 kommen schon Männer und Frauen, oder „die Jungen und die Alten“ hinzu.  

Wenn Stufe 6 die Performance erbracht hat, wird der Sprachgebrauch plötzlich bis in den Vorstand kreativer: 

  • Loyal High Spenders 
  • Trigger-Happy High Spenders 
  • Young Professionals 
  • Coupon Leeches 
  • One Timer 
  • Blogworms 
  • Slow Maybes 
  • Generous Hedonists  

Ob nun das fancy english wording oder Genießer aus der Vorstadt erklingt, ist irrelevant. Wichtig ist, dass von nun an die Strategien hier entspringen. Sodass man weiß, Kampagnen-Budget wird so verteilt, dass Segment X eigene Werbemittel und den Löwenteil in der Allokation erhält, während Segment Y nicht mehr aktiv akquiriert wird. Oder dass sich der Shop von der Positionierung her noch stärker an den Hedonisten orientiert und der Blog-Bereich noch mehr Aufmerksamkeit erhält. Alternativ belassen wir den Shop bei seinen Wurzeln, um die Loyal High Spender aus den Segmenten Harmoniser und Genießer nicht zu verstoßen – und das Potenzial der Nische Hedonisten wird noch stärker geschöpft, in dem eine Sub-Brand mit eigenem Webshop und Social Media Auftritt auf den Markt gebracht wird. 

Bedenken Sie bitte auch: Wenn ein Segment richtig stark funktioniert und auf bestimmte Techniken in Angebot, Sprache, Look & Feel etc. überragend gut reagiert – dann hat es meist das größte Potenzial, bei noch granularer Segmentierung eine noch bessere Performance zu bieten. Lassen Sie daher immer etwa 10% der User:innen dieses Segments in einer Test-Gruppe, die andere personalisierte Versionen ausgespielt bekommt.

Stufe 8: Synergien mit dem E-Mail Marketing

Mit Stufe 7 und der Skalierung sind wir schon nah am Optimum in der Segmentierungsstrategie angekommen. E-Mail Marketing findet eigentlich bei allen Shops in der einen oder anderen Form statt. Dennoch führe ich es abschließend in dem Kontext an, denn je besser und effektiver Ihre Strategie in dem Bereich ist, umso mehr Gewinn ziehen Sie aus der Segmentierung.  

Viele im Text angeführte Maßnahmen funktionieren erst durch den Versand von E-Mails - oder sind in der Masse zumindest günstiger als Retargeting in PPC-Kanälen. Wiederum können Sie gewisse Insights erst generieren, wenn Sie Informationen einzelnen Nutzer:innen zuordnen können. Dafür braucht es registrierte Nutzer:innen und Kundschaft mit Kaufhistorie. Je mehr Sie davon haben, umso treffsicherer wird auch der Transfer auf unbekannte User:innen, die in den bekannten Merkmalen Ihrer Analytics-Tools einem Segment entsprechen. 

Somit ist die E-Mail Strategie essenziell und das richtige Tool, konfiguriert mit den richtigen Strecken, überlebenswichtig. Newsletter-Subscriptions und Zustimmung zu weiteren Informationen sind nicht mehr ein schönes Beiwerk, sondern der entscheidende Schlüssel, ob der durchschnittliche Customer-Lifetime-Value wachsen wird oder Sie zu tief im erbarmungslosen Wettbieten um Erstkontakte feststecken. 

Trotz dieser Bedeutung wird E-Mail Marketing meinen Erfahrungen nach zwar von allen Shops eingesetzt. Doch primär deswegen, weil es eben alle einsetzen und es somit zum Pflichtprogramm zu gehören scheint. Meist findet sich eine Box unauffällig im Footer, dass man den Newsletter abonnieren soll, um „auf dem Laufenden zu bleiben“. Gute Gründe, wieso Interessent:innen ihn abonnieren sollten, sowie eine geschickt verpackte Vorauswahl des Abonnements im Kaufprozess sind selten. 

Doch das ist ab jetzt ein Thema für sich, das einen eigenen Blog-Artikel verdient. Wir zwei hingegen sollten uns erstmal über Ihre Segmentierungsstrategie unterhalten.

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Halil Uzun

Consultant

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