Personalisiertes Pharma-Marketing

Lesezeit: 14 Minuten

Mehr Relevanz auf der einen, mehr Business Value auf der anderen Seite: Das verspricht Personalisierung im Pharma-Marketing. Wie immer geht es um Marktanteile und natürlich darum, die Zielgruppe zu erreichen. Wie immer kommt es auf Kreativität an. Auch der Begriff Personalisierung kursiert nun bestimmt ein Jahrzehnt durch die Digitalwelt. Spätestens mit Netflix hat jeder eine Vorstellung davon, was gemeint ist.  

Und doch traut sich in Deutschland kaum ein Pharmaunternehmen, Personalisierung strategisch in den Mittelpunkt der Kommunikation zu stellen und die Website mutig mit personalisierten Inhalten zu bespicken. 

Ja, es ist schwieriger als im FMCG-Bereich. Im RX-Marketing ist die direkte Bewerbung der Arzneimittel grundsätzlich verboten, geschweige denn noch personalisiert. Auch dürfen im Gesundheitsbereich Cookies nicht eingesetzt werden, um dem User Produkte nochmals einzublenden, für die er sich interessiert hat. Dann ist es schon nervig, wenn einen stets derselbe Rasenmäher durch das Web verfolgt.

Doch den Aufschrei möchte man als Unternehmen nicht erleben, wenn der Patient bei jedem Besuch der eigenen Website auf seine chronische Krankheit reduziert wird. Oder wenn die Künstliche Intelligenz eine sehr dumme Schlussfolgerung vollzieht: Sie haben einen Blogartikel zum Thema Abtreibung gelesen, ergo Segment Frauengesundheit, ergo empfehlen wir Ihnen folgende Verhütungsmethoden...

Ja, ich treibe es hier im Intro bewusst auf die Spitze. Es muss klar sein, worauf man sich bei den regulatorischen und ethischen Gefahrstellen einlässt. Die Personalisierungsstrategie muss sehr, sehr scharf konzipiert sein, statt einfach drauf loszulegen. Richtig eingesetzt jedoch bietet diese Disziplin gerade im Gesundheitsumfeld immenses Potenzial.

Es geht schließlich um die eigene Gesundheit. Kaum ein Bereich treibt den User so sehr zur Informationsbeschaffung an und da möchte er eben Informationen, die zur persönlichen Situation passen, statt generische Claims zu erhalten.

»Die wahre Conversion ist das Vertrauen in die Marke.«

In diesem Artikel erwartet Sie …

  • 6 Gründe, wieso Personalisierung langsam unverzichtbar wird
  • Zusammenspiel Personalization Engines und Daten
  • Die Auswahl des richtigen Tools
  • Segmentierung: Die Vorstufe der Personalisierung
  • Personalisierte Inhalte: Wie es Content neu zu denken gilt
  • Nicht vergessen: Personalisierung gehört In-House beworben

Es ist eine strategische Entscheidung, ob Sie jetzt auf Personalisierung setzen oder bewusst hinten anstellen. Mit diesem Artikel streife ich vier "Denkfelder", die Ihnen einen helfen, schnell eine Tendenz auszumachen.

Wenn Sie in der Folge in Ihrem Interesse an Personalisierung bestärkt sind, lassen Sie uns gerne persönlich sprechen. Zu breit ist die Disziplin, um alle Aspekte in einem Blog-Artikel abzudecken – und die Einleitung zeigt, maßschneidern müssen wir die Strategie in jedem Fall. Ich wünsche Ihnen viel Spaß beim Lesen und freue mich über Feedback.

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6 Gründe, wieso Personalisierung im Pharma-Marketing unerlässlich wird

1)

Kunden erwarten sie – ohne es zu wissen

Ich bin ein leidenschaftlicher Fan des US-Sports. Wenn ich morgens auf die Bahn warte und mein Stammportal aufrufe, bekomme ich die Highlights der NBA-Basketballspiele. Direkt, ohne mich an Hansi Flick, Bayern München und dem HSV vorbeiscrollen zu müssen. Mein Bruder findet Analysen und Hintergrundberichte zum Formel 1 Rennen. Wir lieben beide dasselbe Portal für verschiedene Kernkompetenzen, ohne das bewusst wahrzunehmen.

2)

Personalisierung ermöglicht es, mehr Marktsegmente zu bedienen

Direkt aus dem Beispiel von eben geht hervor, dass man auf diese Weise Imagefaktoren (bis zu einem gewissen Grad) je nach Kontext unterschiedlich stark betonen kann. Eine Marke kann weiterhin im Kern die Creme für Pilzbefall bei Männern sein. Doch es kann dennoch über Social Media weibliches Publikum generiert werden, wenn man nicht mehr im „One Size fits All“-Auftritt gefangen ist.

Gerade bei Unternehmenswebseiten, die Geschäftsfelder von Diabetes über Frauen- bis Herzgesundheit umfassen, ist das der Schlüssel, um sich in der kurzen Aufmerksamkeitsspanne des Erstbesuchers festzusetzen.

3)

So verkauft man nun Mal – andockend an Merkmalen des baldigen Kunden

Grundkurs Autohandel von 1983: Wenn der Papa allein kommt, vertiefen Sie sich in PS und lassen den Motor erklingen. Wenn die Mama dabei ist, fügen Sie der Information zur Beschleunigung von Null auf Hundert noch bei: „So können Sie auch bei dichtem Verkehr sicher auf die Autobahn auffahren.“

Wenn Ihr Besucher Augentropfen braucht, weil er in seiner Agentur acht Stunden am Tag am Laptop arbeitet, darf das erste Testimonial oben im Hero der Startseite nicht der Fall Grauer Star sein. Lange gab es digital nicht die Möglichkeit auf verbale und non-verbale Signale des Users einzugehen, weswegen gerade der E-Commerce zu einer Preisschlacht verkommen ist.

4)

User an verschiedenen Stellen in der Patient Journey konvertieren

Nehmen wir das Beispiel Osteoporose: Wenn Ihr User auf der Zielseite zum Suchbegriff Osteoporose Diagnose eingestiegen ist und dann auf Ihrer Website stöbert, empfehlen Sie ihm den Artikel mit authentischen, aber aufmunternden Erfahrungsberichten: Die Krankheit ist unheilbar, doch mit entsprechenden Therapien verlangsamt man die Entwicklung und lernt damit zu leben. Eine Sorge weniger, gibt er eher den Lead beim Selbsttest ab.

Haben Sie den Lead nicht generiert, wenn der User zum dritten Mal auf der Website auftaucht, wird es der Selbsttest nicht mehr richten. Jetzt spielen Sie prominent das Whitepaper Welche Lebensmittel sind gut für den Knochenaufbau und generieren den Lead.

5)

Die weiteren Stakeholder

In Beispielen wird viel mit OTC- und B2C-Beispielen gearbeitet, doch die Besuchergruppen sind vielfältig: Zuweiser, Apotheken, mögliche Bewerber, Krankenkassen etc. Anhand von Klickmustern lassen sich diese Gruppen meist leicht identifizieren.

Wenn nun ein User von der Stellenanzeige auf Ihre Startseite wechselt, formt sich sein emotionales Urteil zu Ihrem Unternehmen bereits. Die Imagefaktoren im Employer Branding sind gewiss andere als der allgemeine Corporate Auftritt, welcher der Börse ein Bild spiegeln soll.

6)

Nachweislicher Boost von KPIs und Conversions

Personalisierung steigert den Umsatz Studien nach um 5 bis 15%. Im Pharmaumfeld ist der direkte Zusammenhang zwischen Website-Besuch und Point-of-Sale meist nicht messbar. Doch alle weiteren vorgelagerten KPIs wie Wiederkehrende Nutzer, durchschnittliche Dauer der Sitzung, Newsletter-Anmeldungen, Downloads von Broschüren usw. entwickeln sich signifikant nach oben – gute Implementierung vorausgesetzt. Kumuliert über die Kennzahl Engagement Value können Sie sogar ziemlich aussagekräftig messen, wie Ihre Website und der Content auf die strategischen Ziele einzahlen.

»Durch Personalisierung Ihrer digitalen Kundenerlebnisse können Sie den Umsatz zwischen 5% und 15% steigern.«

McKinsey Digital, November 2016.

Zusammenspiel Personalization Engines und Daten

Die Disziplin Personalisierung steht und fällt mit den Daten. Es muss nicht immer die Unmenge sein, doch sie müssen bestimmte Informationen liefern wie beispielsweise:

  • Wo kommen die User gerade her?
  • Was interessiert sie?
  • Welche Merkmale weisen sie auf, z.B. Gerät oder Geo-Location?
  • Welche Absichten verfolgen sie?
  • Wie haben sie in der Vergangenheit mit der Marke interagiert?

Mir ist kein Fall im Pharma-Sektor bekannt, bei dem das Unternehmen alle relevanten Daten bereits gesammelt hat. Doch meist ist allein schon mit den gängigen Analytics-Tools mehr vorhanden als man glaubt (und mehr als man zum Start einsetzen sollte, um die Komplexität nicht ausufern zu lassen).

Vereinfacht ausgedrückt beruht Personalisierung auf der Erstellung und Anwendung von Regeln, welchem Segment welcher Content auf welche Weise ausgespielt werden soll. Selbst wenn Sie noch keine Personalisierung im Einsatz haben, gilt das: Eben mit der Regel „Spiele dem Segment Alle Besucher diese eine Version der Startseite aus, mit dem Inhalt Jetzt zum Newsletter anmelden an der Stelle Unter dem Hero“.

Diese Regeln könne Sie manuell anlegen: Wenn der User bereits Newsletter-Abonnent ist, wird ein anderer Inhalt ausgespielt, z.B. mit den drei beliebtesten Blog-Artikeln um die KPI Sitzungsdauer als Ausprägung des Ziels Kundenbindung zu erhöhen. Doch Sie können auch eine Personalization Engine die Regeln automatisch anlegen lassen.

Die Software geht dabei meist nach dem Trial-and-Error-Prinzip vor und es werden immer wieder neue Kombinationen ausgespielt, um die Variante zu identifizieren, welche die Sitzungsdauer maximiert. Dieser Prozess ist manuell schlicht nicht möglich, plus werden die Regeln und Kombinationen fortlaufend verfeinert.

So verführerisch dieser Ansatz sich liest: Im Pharmabereich tendiere ich grundsätzlich zur manuellen Regelerstellung und Segmentierung. Die Software wird dabei eher unterstützend eingesetzt als dass sie in den „strategischen Lead“ geht. Hierfür habe ich drei gute Gründe:

1)

Die Pitfalls: Man kann zwar die Inhalte einschränken, die die Maschine überhaupt ausspielen darf. Doch auf diese Weise beraubt man sie auch ihrer Power – der Ansatz als solcher lebt davon, dass Fehler gemacht werden.

In dem sensiblen Umfeld will ich die Kontrolle behalten, denn am Ende werde ich auch zur Rechenschaft gezogen. Das Risiko ist – wie in der Einleitung geschildert – viel größer als im Shop den Gartenliebhaber mit dem Heimwerker zu verwechseln.

2)

Die schwer messbare Conversion: Personalization Engines haben ihren Durchbruch im E-Commerce geschafft. Dort sind die Ziele und ihr Eintreten oder Nicht-Eintreten sehr klar: Kauf oder kein Kauf. Hoher oder niedriger Warenkorb. Und es geht um Masse. Ist einem loyalen Kunden auf den Fuß getreten worden, äußert sich das durch ausbleibende Wiederkäufe. Der Betreiber antwortet mit einem „Wir vermissen Sie“-Gutschein, das Problem ist aus der Welt.

In Pharma hingegen ist die Journey viel komplexer, der Zusammenhang zwischen dem einzelnen Website-Besuch und Business Value in der Währung Euro üblicherweise entzerrt. Sitzungsdauer oder Klick auf einen Artikel sind zwar als Conversions definiert, doch am Ende nur Indikatoren. Die wahre Conversion ist das Vertrauen in die Marke. Auf diese hin kann die Software nicht optimieren, doch sie sehr wohl zerstören.

3)

Die nicht vorhandene kritische Masse: Für die automatisierte Regelbildung muss eine kritische Masse an Besuchern gegeben sein, die ein bestimmtes Verhalten zeigt. Wir sprechen hier nicht von dem totalen Traffic, sondern einer Mindestmenge an Usern, die sich mehr oder weniger gleich auf der Website verhalten haben. Diese kritische Masse können im Pharmaumfeld nur einige wenige Shops und Weltkonzerne aufweisen.

Die nachfolgende Tabelle verdeutlicht es: Man kann durchaus den automatisierten Ansatz wählen – nur wird es ewig dauern, bis er effektiv wird und ob sich das Investment jemals amortisiert ist fraglich.

Testlaufzeit bis Erreichen eines statistisch signifikanten Testergebnisses

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(bei Conversion Rate 10 %, Verbesserung durch die beste Test-Variation 20 %, Irrtumswahrscheinlichkeit 5 %)

Exkurs: Mögliche Wege, personalisierte Inhalte auszuspielen

  1. KI & maschinelles Learning: Im Prinzip das eben Besprochene. Bei sehr hohen Besucherzahlen sehr mächtig.
  2. In-Session Daten: User bekommt personalisierte Inhalte anhand des Klickverhaltens während seines Website-Besuchs ausgespielt, z.B. Anmeldung zum virtuellen Tag der offenen Tür für Besucher des Karrierebereich.
  3. Historische Daten: Der personalisierte Inhalt knüpft an frühere Besuche an.
  4. Log-In: Ermöglicht die treffsicherste Kombination aus persönlichen Daten und Overlap zu ähnlichen Besuchern. Kommen Apps zum Einsatz, ist das auch im Pharma-Bereich eine sehr wirkungsvolle Methode. Ansonsten fehlt häufig die Rechtfertigung für Log-Ins.
  5. Vordefinierte Segmente: Nach Einstiegsseiten, Kampagnen-Parametern, Buyer Personas etc. Im nächsten Kapitel näher beleuchtet.
  6. 360° Profile: In Zusammenspiel mit CRM-Software höchstes Potenzial für One-to-One Kommunikation. Mit der Zeit wird eine Vielzahl an Informationen einem einzelnen User zugeordnet und anhand dessen der beste Inhalt ausgespielt (Demographie, Gerät, Uhrzeiten, Geo-Location, Lieblingsthemen, Kundenstatus und -scoring, Newsletter-Abo, Whitepaper XY heruntergeladen, schaut gerne Videos, Erstkontakt Kampagne Gesunder Schlaf…).
  7. Chat-Bot: So gestaltet wie ungelesene Nachrichten bei WhatsApp und Co. zieht es die Aufmerksamkeit auf sich. Mit einfachen Fragen wie „Was ist der Grund Ihres Besuchs?“ kann der User sehr einfach eingeordnet und zu seinem Ziel geführt werden.

Hinweis: Diese Auflistung erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Die verschiedenen Ansätze lassen sich kombinieren. Doch vereinfacht können Sie sich die Möglichkeiten auch als Skala vorstellen:

  • Personalisierung mit einer Variablen
  • Personalisierung mit mehreren Variablen
  • Individualisierung
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Das richtige Tool zur Personalisierung

»10% Investment in das Tool, 90% in die Köpfe.«

Avinash Kaushik

Der Markt ist breit mit bestimmt 50 Anbietern. So werden Sie verschiedenen Preisklassen begegnen, beginnend bei einigen hundert Euro monatlich bis zu mittleren fünfstelligen jährlichen Lizenzgebühren. Sie alle haben verschiedene Funktionalitäten, ihre individuellen Stärken und stoßen ab einen Punkt an ihre Grenzen bzw. müssen in manchen Punkten Wettbewerbern den Vortritt lassen.

Erst wenn sich ein Bild herauskristallisiert, wie Sie Personalisierung einsetzen möchten, können Sie eine Vorauswahl und dann die finale Entscheidung für einen Anbieter fällen. Dazu brauchen Sie kein fertiges Konzept zur Personalisierung, denn Ihre Strategie muss sich mit den Möglichkeiten des Tools ergänzen. Doch zu diesem „Bild“ zählen:

  • die Ziele, die sie verfolgen
  • das Wissen zu ihrer Datenbasis
  • Ihre Segmentierungsstrategie
  • eine Vorstellung wie sich personalisierte Inhalte in Ihre Content Marketing Strategie fügen werden
  • und eine realistische Einschätzung zum Potenzial Ihres In-House Personals und externer Partner

»31% of marketing leaders said that their internal staff´s capabilities were one of the main barriers to delivering more personalized experiences.«

Dieses Zitat schlägt Wellen. Doch für mich ist die Aussage dahinter falsch. Es geht nicht darum, OB das Team die Fähigkeiten hat, sondern WELCHE.

Ich beispielsweise liebe das Big Picture, den Bezug zum Business Value und dann auf der nächsten Ebene habe ich ein Faible für Marketingpsychologie, sodass ich in Segmentierung aufgehe. Auch kreativer Content ist ein Metier, in dem ich mich wohl fühle.

Doch: In Sachen Technologie gibt es gewiss bewandertere Kollegen und bei allem rund um Tracking und Daten brauche ich einen talentierten Partner, der meine Ideen versteht. Und im Umgang mit den Tools selbst bin ich vielleicht kein Neandertaler, aber doch eine sehr frühe Stufe des Homo Sapiens‘...

Will heißen: Wenn ich ganz auf mich allein gestellt wäre, würde ich bei der Tool-Auswahl zusehen, dass die Lösung meinen Stärken entgegenkommt und der Kern des Tools nicht ausgerechnet in meine Schwächen fällt.

Doch allein meistert man diese Herausforderung ohnehin nicht. Falls Ihnen also entscheidende Ressourcen fehlen, empfiehlt es sich Ihr Team zu verstärken, um das Maximum aus der Software heraus zu kitzeln. Avinash Kaushik, ein Großmeister des Digital Marketings, bringt es auf den Punkt: 10% Investment in das Tool, 90% in die Köpfe. Wenn das nicht aufgeht, brauchen Sie womöglich nicht die größte Lösung am Markt.

Segmentierung: Die Vorstufe der Personalisierung

Dieses Kapitel werden wir weniger stark vertiefen, denn einen eigenen Blogbeitrag zu Segmentierungsstrategien im Marketing kann ich Ihnen hierzu empfehlen. Vordergründig möchte ich Ihnen ein paar Anregungen mit auf den Weg geben und Gedanken, wie Sie bei dieser Bandbreite an Möglichkeiten starten können.

Segmentierungsansätze im Pharmamarketing

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Mit Segmenten ist hier gemeint: Gruppierungen von Usern, die in sich so homogen sind, doch zu anderen so heterogen und abgrenzbar, dass sie eine eigene Experience ausgespielt bekommen sollten.

Ratsam ist früh zu skizzieren, welche Segmente in Frage kommen, welchen Business Value sie haben und welche Art der personalisierten Experience denkbar ist. So kann man sie auf die 2x2 Personalisierungsmatrix übertragen und die wirklich spannenden Optionen einkreisen.

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Priorisierung ist essenziell, denn die Möglichkeiten sind unendlich. Das erste lauernde Risiko in einer jeden Segmentierungsstrategie ist vergleichbar mit dem Wiedereinstieg nach längerer Sport-Abstinenz: Die Ambitionen und Ziele sind groß, der Plan eben sportlich und in der Theorie auch machbar. Bis es früh anfängt zu zwicken, die Strecke vor einem ewig lang erscheint und nach dem Sprint immer vor dem nächsten ist. Doch die Erfolgserlebnisse lassen noch auf sich warten – und die Strategie verschwindet wieder in der Schublade.

Woher kommt das? Nun, wenn man nur nach Kunden unter 45 und über 45 Jahren segmentiert, hat man schon doppelten Aufwand, der sich durch alles zieht: Doppelte Werbemittelkonzeption, doppelte Landing Pages, E-Mails, Optimierungen... Nehmen wir jetzt weitere Altersklassen, Geschlechter, Marketing-Kanäle und Bedürfnisse hinzu und Sie sehen:

Es braucht einen realistischen und durchdacht priorisierten Umsetzungsplan. Andernfalls schellt die Komplexität schnell in die Höhe, der Überblick geht verloren und die Aufwände können sich auch mit 0,05 % höherer Conversion Rate nicht mehr amortisieren.

Daher empfiehlt es sich immer mit den Segmenten anzufangen, die signifikante Resultate versprechen und schnell umsetzbare Personalisierung einzubauen. Wenn sich die gewünschten Effekte einstellen, hat man das Vertrauen und zieht Schritt für Schritt an. Die schwächer performenden verwirft man wieder und investiert die Arbeit in lukrativere Segmente. So erkennt man auch früh Schwachstellen im eigenen System aus KPIs, Tags und Content.

Personalisierte Inhalte: Die neue Art Content zu denken

Die erste Regel lautet: Halten Sie sich bitte zurück. Wenn ein User den Artikel 9 Mythen zu Brustkrebs gelesen hat und am nächsten Tag wiederkommt – spielen Sie auf der Startseite den meistaufgerufenen im Segment Weiblich aus, z.B. Smoothie-Trends für den Sommer. Das genügt schon zum Start um die Experience zu verbessern.

Bauen Sie darauf, dass der User bei der nächsten Suchanfrage zur Krankheit Ihr Ergebnis bei Google sieht und die positive Erfahrung der früheren Besuche den Ausschlag gibt. Dieses Beispiel ist vereinfachend, doch ab gewisser Sensibilität eines Themas wird sich Ihr User ausspioniert fühlen. Diese Gefahren gilt es im Vorfeld zu antizipieren.

Eine Maßnahme ist aber auch, transparent über personalisierte Inhalte zu informieren, beispielsweise Leads per E-Mail oder zwischendurch eingeblendet mit den Vorteilen für den User. Im Zweifel ist proaktive Transparenz besser als dass Safari dem User Auskunft gibt, dass Ihr Unternehmen ein Profil von ihm angestellt hat.

Möglicherweise ist die fairste – und für viele User auch spannende – Lösung ein prominenter Schalter.

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Safari

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sitecore.com

„Dezent“ lautet das Schlagwort, nicht nur bei kritischen Themen. Auch mit der Menge an personalisierten Botschaften ist nicht zu spaßen. Schnell verzettelt man sich und auch geht der Überblick verloren, welche Maßnahmen besser funktionieren als der generische Content.

Doch nicht zuletzt ist zu viel Personalisierung auch für das Ziel besserer Patient Experience kontraproduktiv. Denn wenn sich ständig etwas ändert, geht die Orientierung verloren, wo man was findet – und das ist auf Websites und in digitalen Anwendungen Gift.

So viel zu häufigen Stolpersteinen. In der Konzeption des personalisierten Contents gilt es zu beachten, dass dieser über die gesamte Patient Journey einer klaren Linie folgen sollte:

  • Tonalität des Akquise-Kanals ist ein Aspekt.
  • Die Message einer Kampagne sollte sich vom Werbemittel über Landing Page bis zur Präsentation von Produktdetails auf Anschlussseiten durchziehen.
  • Auch E-Mail-Kommunikation, (Content-) Retargeting und der Wiedereinstieg in die Website müssen hieran anknüpfen.

Schließlich gilt es, Content schon in der Planung und Erstellung eingebettet in die Personalisierungsstrategie zu denken. Nehmen wir beispielsweise diesen Artikel hier: Er existiert in zu 10% modifizierter Version auch unter dem Titel Personalisierung im Finanzmarketing.

Personalisierter Content bedeutet aber auch mehr Content. Beim Minimum von zwei Segmenten ist es nicht gleich die doppelte Menge und häufig gilt es nur einzelne Details oder Fotos auszutauschen. Doch mit der Planung, der Konfiguration und der Auswertung summiert es sich. Das heißt, sie brauchen einen konstanten Content-Stream, eine solide Roadmap (strategisch wie für die Erstellung) und Automation.

Ein weit verbreitetes Phänomen ist leider, dass ein Personalisierungsprojekt in Stufe Eins mit viel Vorfreude gestartet und wirklich alles personalisiert wird. In Stufe Zwei merkt man, wie viel Arbeit das eigentlich ist und lässt es nur noch im Startseiten-Banner aufblitzen. In Stufe Drei steht die teure Software ungenutzt herum, während One-to-Many-Kommunikation wieder an der Tagesordnung ist. Daher kann ich es nicht oft genug betonen: Personalisierung gehört - entgegen vielen andere Disziplinen im Digital Marketing - erst sehr scharf konzipiert, dann live drauf lostesten.

Beginnen Sie am besten mit personalisierter Experience für eine besonders wichtige Persona oder für einen Produktbereich. Oder konzentrieren Sie sich auf ein besonders wichtiges Element, wie den Hero-Banner - oder ein zu häufig vernachlässigtes, wie im E-Commerce die Seite NACH dem Kauf, wenn Sie wirklich alles über den User wissen.

Außer dass dieser Ansatz einen geschmeidigen Start ermöglicht, hat er noch einen entscheidenden Vorteil: Sie bekommen sehr früh ein Gefühl für den Return on Investment und können mit dieser Information bestimmen, wie sehr Sie Personalisierung aufdrehen.

»Langweiliger Content bleibt auch personalisiert – langweilig.«

Nicht zuletzt kommt es auf zuverlässige Partner in der Content-Zulieferung an und hier sollte an der Qualität nicht gespart werden. Denn Kenntnisse zur Zielgruppe, Patient Journey und Gefühlswelten verschiedener Segmente sind ebenso erfolgskritisch wie das Wissen über die Möglichkeiten Ihrer Software und an welchen Touchpoints welche Content-Fragmente ausgespielt werden.

Und last but not least: Langweiliger Content bleibt auch personalisiert – langweilig. Doch mit Personalisierung lässt sich echte Begeisterung schaffen. Sie können Ihr Publikum überraschen und sich als besonders innovativ präsentieren. Für mich ist hier das genialste Beispiel der Rückblick auf mein Jahrzehnt mit Spotify. Ja selbst wenn ich mir die letzten 30 Tage anschaue, entdecke ich überraschende Facetten meines Hörverhaltens...

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Spotify

Nicht vergessen: Personalisierung gehört frühzeitig In-House beworben

Das erste Mal ernsthaft über großflächigen Einsatz von Personalisierung im Pharma-Marketing habe ich mit Kunden 2017 gesprochen. Noch immer gilt – wie auch in diesem Blogartikel – dass ich die Diskussion mit den gängigen Nachteilen und Gefahren von Personalisierung beginne. Es hat seine Tücken und wenn wir nur die Vorteile betrachten, ruft das Widerstand hervor. Die berechtigten Sorgen gehören ernst genommen, um so glaubhaft darzulegen, dass ihnen begegnet wird.

Mit den Ansprechpartnern aus dem Marketing herrscht schnell Konsens, dass aufgerüstet werden müsste (die Vorbehalte liegen eher in den Kosten und der ohnehin schon hohen Arbeitslast). Doch spätestens, wenn Datenschutz, das Legal Department und ein nicht involvierter Hippo – Highest Paid People’s Opinion – hinzukommen, gerät das Projekt ins Stocken.

Die Hürde sind weniger die Argumente, denn die sind meistens schon dem Marketing bekannt und wurden in Angriff genommen. Vielmehr besteht von vornherein eine Antihaltung oder wird aus natürlichem Reflex eingenommen. Daher ist entscheidend, schon in der Vorphase des Projekts die internen Stakeholder formell und informell als Befürworter zu gewinnen.

Die „wahren“ Entscheider variieren von Unternehmen zu Unternehmen. SEO für einen Klinikkonzern haben wir erst so richtig ins Laufen bekommen, als wir bei einem Workshop das Komitee von Chefärzten verschiedener Häuser für die Sache gewinnen konnten.

So empfehlen sich fortlaufend Flurgespräche, Pitches und internes Marketing um Budgets, vor allem aber den Rückhalt für mutige Ansätze zu sichern. Sei es eine Ankündigung im Intranet, ein Ideen-Wettbewerb für Testings, Umfragen oder gar ein Event, in dem die Strategie vorgestellt wird: So entstehen Stolz und Aufbruchsstimmung im ganzen Unternehmen.

Checkliste: Fragen zur Konzeption Ihrer Personalisierungsstrategie

  • Haben Sie eine klare Übersicht zu Ihren Zielgruppen-Segmenten und wie sie sich unterscheiden? / Für wen personalisieren Sie?
  • Wie hilft der personalisierte Content dem User?
  • Welche Elemente wollen Sie personalisieren?
  • Welche These wollten Sie schon immer Mal beantwortet sehen?
  • Wie zahlt das auf Ihre Geschäftsziele ein?
  • Wie zerlegen sich diese in vorgelagerte KPIs?
  • Welche Targeting-Basis schwebt Ihnen vor? / Wie erkennen Sie die Zielgruppe?
  • Wen brauchen Sie alles (Marketing, Data, Sales, Creative, CMS-Redakteure, Projektleitung etc.)?
  • Was sind die Stärken, wo die Grenzen Ihres Teams?
  • Eignet sich für Ihren Fall eher manuelle oder automatische Regelbildung?
  • Wer verantwortet Controlling der KPIs und das Testing?
  • Wer trifft die Entscheidungen, was gemacht wird und welcher Test als erfolgreich gilt?
  • Welche Befürworter brauchen Sie an Ihrer Seite?
  • Welche Gefahren, Schwachstellen und Zeitfresser sehen Sie?

Mario Kemenc

Consultant & CEO

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