Inception Konzept für Landing Pages

Lesezeit: 6 Minuten

Es existiert bereits eine Hand voll guter Modelle zur Optimierung von Landing Pages. Was zeichnet also das Inception Konzept aus und verleiht ihm somit seine Daseinsberechtigung? Nun, das Modell richtet sich kompromisslos daran, wie wir Menschen Entscheidungen wirklich treffen. 

Aus der Psychologie und der Hirnforschung wissen wir, dass unsere Urteile überwiegend vom Unterbewusstsein getroffen werden. Unsere Instinkte, Heuristiken, unsere Hormone – sie geben dem bewussten Ich vor, was es zu denken hat.

Der Wirtschaftsnobelpreisträger Daniel Kahneman umschreibt es so: Unser bewusstes Denken (von ihm als „System 2“ bezeichnet) ist eine Nebenfigur, die sich für den Protagonisten hält. Es hält Entscheidungen für die eigenen, die längst an anderer Stelle getroffen wurden. Es erfindet sich im Nachgang rationale Erklärungen für Urteile, die ihm das Unterbewusste in Sekundenbruchteilen bereits diktiert hat.

Die Berücksichtigung dieser State-of-the-Art Erkenntnisse ist die große Stärke des Inception Konzepts:

  • Es ermöglicht Landing Pages so zu gestalten, dass sie direkt in das limbische System gehen.
  • Es setzt darauf, dass dieser Vorgang innerhalb von 50 Millisekunden bis maximal 2 Sekunden geschehen muss.
  • Es knüpft bewusst beim System 1 an – dem Gatekeeper, der in wohlgesinnter Stimmung Werbebotschaften nicht hinterfragt.

Gestatten Sie: Das Inception Konzept

Das Inception Konzept habe ich mir selbst zusammengestellt, damit es mir als Handlungsmaxime bei der Gestaltung von Landing Pages dient, aber auch Botschaften entlang der Customer Journey zusammenhält.

Bei der Landing Page Optimierung gilt es normalerweise unzählige mögliche Einflussfaktoren zu beachten. Das Inception Konzept bietet dabei eine einfache Handhabung, denn hier werden sie auf sechs Basisfaktoren zusammengefasst. Diese teilen sich in zwei Gruppen auf:

  • Die aktivierenden Faktoren, welche die Botschaft ins limbische System einpflanzen.
  • Die absichernden Faktoren, damit die Botschaft nicht durch Einwände abgestoßen wird, ehe es zur gewünschten Handlung kommt.
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Die aktivierenden Faktoren

1.

Aktivierung des Belohnungszentrums

Erwiesen ist: Innerhalb von 50 Millisekunden ist entschieden, ob uns eine Website gefällt oder nicht. Dieser erste Eindruck spiegelt sich nicht nur in der Absprungrate wider. Er prägt das komplette folgende (Kauf-)Verhalten – Halo Effekt und Confirmation Bias sei Dank.

Damit die Landing Page die beabsichtigte Wirkung auslöst, ist die erste Hürde die entscheidende. Daher gilt es im Rahmen der Landing Page-Optimierung zunächst Fragen wie diese zu stellen:

  1. Welche tiefergehenden Bedürfnisse / Motive / biologischen Ziele hinter den Features werden angesprochen? Kein Mensch kauft Produkte der Produkte willen.
  2. Löst die Seite das positive Gefühl aus, das es gerade braucht? Versetzt sie den Betrachter in die richtige Stimmung?
  3. Besteht eine „Wohlfühlatmosphäre“?
  4. Sind es die richtigen Emotionen für die richtige Buyer Persona? Was den einen animiert, ist beim nächsten kontraproduktiv.
  5. Sind alle widersprüchlichen Signale eliminiert? Steckt die Liebe im Detail?
2.

Konkreter Nutzen

Sie erinnern sich an die Nebenfigur, die sich für den Protagonisten hält? Jetzt gilt es dem Bewusstsein Argumente zu liefern, die es die rationale Erklärung seines vorgefertigten Urteils mühelos anfertigen lassen.

  1. Welche Kompetenzreklamation kommt zum Ausdruck?
  2. „Was habe ich davon?“
  3. Wie überwiegen die Vorteile in einer heuristischen Aufwand-Nutzen-Rechnung?
3.

Spezifische Passform

Natürlich aktiviert der Enzo Ferrari bestimmte Gehirnregionen und natürlich sind 660 PS ein standfestes Argument – wieso es aber meist dennoch nicht zum Kaufabschluss kommt, kann man sich denken.

Beim Faktor „Spezifische Passform“ geht es um die Übereinstimmung zwischen Angebot auf der einen Seite und um die Erwartungen und Möglichkeiten auf der anderen, mit denen die Buyer Persona auf die Landing Page kommt.

  1. „Ist es das, was ich Suche?“ Stellt sich das Gefühl von „diese Seite passt zu mir“ ein?
  2. Entspricht es vom Gefühl her den Kostenerwartungen? Gibt es Ankerpreise oder Berechnungsbeispiele?
  3. Passt die Sprachwahl zur Sprache des Nutzers? Oder zu der Sprache, die der Nutzer von der Seite erwartet?
  4. Sind die ausgelösten Emotionen der Situation angemessen? Fügen sich die eingesetzten Techniken in die Phase der Customer Journey?
  5. Stimmt die Seite mit den eingesetzten Werbemitteln überein?
4.

Perfekter Zeitpunkt

Der Energiesparmodus ist tief im Menschen drin. Ohne einen Trigger findet er immer Gründe, wieso eine Handlung auf später oder morgen aufgeschoben werden kann. Daher gilt es jetzt zu überzeugen:

  1. „Warum sollte ich gerade jetzt die gewünschte Aktion tun und nicht später?“
  2. Ob es nun „USP“, „Differenzierungsmerkmal“ oder „Value Proposition“ heißt – im Keim erstickt werden muss die Frage, ob es nicht vielleicht noch eine bessere Alternative gibt.
  3. Welche Nudging-Techniken lassen sich einsetzen? Vielleicht künstliche Verknappung oder Reziprozität? Priming? Doch Vorsicht: Es muss authentisch wirken und in der Intensität getestet werden. 

Mit den vier aktivierenden Faktoren haben wir die Botschaft im limbischen System eingepflanzt. Jetzt geht es darum zu verhindern, dass sie abgestoßen wird, ehe die Wirkung sich entfaltet.

Die absichernden Faktoren

Weshalb die absichernden Faktoren online eine solche Bedeutung genießen, veranschaulicht folgendes Beispiel:

Stellen Sie sich vor, Sie sitzen bei einem Versicherungsvertreter in der Filiale. Er hat Ihnen alle möglichen Risiken skizziert, welche sie künftig nicht mehr zu fürchten brauchen und Sie von den günstigen Konditionen überzeugt.

Während der „Berater“ jetzt das Formular ausfüllt, meldet sich eine Stimme in Ihrem Kopf: Ist die Versicherung wirklich nötig? Wenn doch, sollten nicht noch weitere Alternativen verglichen werden?

Doch so schnell die Zweifel aufkommen, so schnell verwerfen Sie diese auch wieder. Der Mann hat die Vorteile doch klar benannt, außerdem hat er sich so viel Mühe gegeben. Jetzt noch zu einem anderen Anbieter gehen und den ganzen Prozess von vorne beginnen, um am Ende bei all den Details doch keinen Vergleich ziehen zu können? Sie nippen am kostenlosen Kaffee und planen schon mal die Abendstunden.

Online hingegen haben genau diese Zweifel die Oberhand:

  • Es gibt kein menschliches Gegenüber, das enttäuscht wird.
  • Der nächste Anbieter wartet ebenso wie ein Vergleichsportal bereits bei Google.
  • Zu guter Letzt müssen Sie das Formular auch noch selbst ausfüllen.

Deswegen gilt es die absichernden Faktoren gekonnt einzusetzen. Für den maximalen Effekt sind härtere psychologische Geschütze gefordert als die spiegelnde Gestik des Versicherungsvertreters, das Foto seiner Kinder und der kostenlose Kaffee.

5.

Eliminierung der Bedenken

Jedes noch so kleine Anzeichen für niedrige Vertrauenswürdigkeit wird intuitiv erkannt. Auch wenn der Besucher die Ursache nicht benennen kann: Es beschleicht ihn ein Gefühl, die Bestellung wird mit Komplikationen verbunden sein. Häufig stört ihn nicht das, was er sieht, sondern dass irgendetwas fehlt. 

Daher werden im Rahmen der Landing Page-Optimierung folgende Punkte geprüft:

  • Was hält davon ab, die gewünschte Aktion auszuführen?
  • Was sind die häufigsten Einwände?
  • Welche Fragen sind noch offen?
  • Sind alle relevanten Informationen wie Konditionen, Lieferzeit oder Verfügbarkeit leicht auffindbar?
  • Finden sich Kontaktdaten wie die Nummer der Service Hotline und andere Trust-Symbole wie Gütesiegel?
  • Gibt es Bewertungen oder Referenzen (sogenannter Social Proof)?
  • Hinterlässt die Seite insgesamt ein professionelles, gepflegtes Erscheinungsbild?
6.

Usability / Accessability

Der letzte Faktor ist ein undankbarer. Kein Mensch kauft etwas, bloß weil der Bestellprozess so toll ist. Doch ist er zu umständlich, wird nicht gekauft. Shop-Betreiber können davon ein Lied in D-Moll singen. 

Selten ist die Verfehlung in Sachen Usability und Accessability so groß, dass ein Element alleine entscheidet. Doch: Es summiert sich. Der Besucher kommt mit einer Portion Wohlwollen auf die Seite. Je umständlicher und irreführender die Bedienung ist, umso mehr sinkt dieses Wohlwollen:

Die Ladezeit verzeiht er noch, ist aber schon leicht genervt. Muss er eine benötigte Information aktiv suchen, vermutet er schon Verschleierung. Klickt er dann auf den anscheinend passenden Link und landet doch wo anders, wird der Browser geschlossen (und irgendwo freut sich ein Marketing Manager über die „gute Engagement Rate“ Sitzungsdauer).

Die Fragen zu dem Faktor lassen sich in drei Blöcke einteilen:

Klarheit im Design:

  • Ist das Nutzenversprechen sofort ersichtlich?
  • Was ist überflüssig? Was lenkt nur ab?
  • Passen Gliederung und Blickverlauf zusammen?
  • Sind die Call-to-Actions klar formuliert, sofort als solche identifizierbar und attraktiv? Heben sie sich im Farbkontrast ab?
  • Gibt es einen Button für Entschlossene und einen (nach oder umgeben von Text-Infos) für Unentschlossene?
  • Ist die Seite entzerrt?
  • Sind auf Einstiegsseiten die Navigation und die Suche sofort zu erkennen? Sind eben diese auf Conversion-Seiten entfernt?
  • Wie funktioniert es auf den wichtigsten Devices und Auflösungen?
  • Sind die gängigen Konventionen für eine Seite dieses Typs eingehalten?

Visuelle Hierarchie:

  • Sind alle relevanten Aussagen mit minimalen Zeitaufwand aufzunehmen?
  • Spiegelt sich der innere Dialog des Nutzers in der Gliederung?
  • Was kann gestrichen werden? Ein Mangel an Relevanz liegt selten an fehlenden Informationen.
  • Tritt der Paradoxon of Choice auf? Wenn Menschen zu viele Optionen haben, entscheiden sie sich, nicht zu entscheiden.
  • Bei Alternativen: Ist für Vergleichbarkeit gesorgt? Gibt es eine Such- oder Filterfunktion?
  • „Steuern“ Fotos von Menschen? Werden z.B. Blicke der Testimonials zur Steuerung des Blickverlaufs vom Besucher eingesetzt?
  • Wird eine sogenannte „Banner-Blindness“ vermieden? In wenigen Jahren Internetnutzung hat der Mensch gelernt, alles was nach Werbebannern wirkt, komplett auszublenden.

Komfort:

  • Ist die Bedienung klar? Naheliegend? Selbsterklärend? Ohne nachzudenken auszuführen?
  • Müssen die dahinter liegenden Prozesse vereinfacht werden?
  • Sind alle Navigationselemente klar erkennbar und eindeutig benannt?
  • Wird mit Weißraum, hellen Farben und leichten Formen gearbeitet? Alles was massiv und schwer wirkt, symbolisiert Komplexität und Mühseligkeit.
  • Abgleich mit der Buyer Persona: Entspricht es dem Nutzungstyp? Ist Barrierefreiheit berücksichtigt?
  • Wie sind Ladezeiten?
  • Wie ist die Lesbarkeit? Ist der Text webspezifisch? Werden Listen mit Gliederungspunkten verwendet?
  • Sind die Texte kurz?
  • Ist die Sprache leicht verständlich?
  • Lassen sich Produktbilder vergrößern? Gibt es eine Zoom-Funktion?
  • Gibt es klare Fehlermeldungen und Hilfestellungen? Sind behebbare Fehler vorhergesehen und behoben?
  • Werden Erfolgserlebnisse und positives Feedback geliefert?

Hinweise zur Anwendung des Inception Konzepts

  1. Das Modell eignet sich zur Erstellung von Wireframes und Designs. Grobkonzepte lassen sich schnell prüfen und es ist eine praktische Anleitung zur Landing Page Optimierung. Es ersetzt jedoch nicht ein gewisses Maß an Kreativität und gesundem Menschenverstand.
  2. Es liefert objektive Kriterien für eine gemeinsame Sprache zwischen verschiedenen Experten wie Conversion Optimierern, Creatives, SEOs und Entscheidern.
  3. Immer müssen die Buyer Persona, die Phase in der Customer Journey, die Besonderheiten des präsentierten Produkts und die Traffic-Kanäle für den Gesamtkontext einbezogen werden. Daher ist eine durchdachte Segmentierungsstrategie die Voraussetzung.

Halil Uzun

Consultant

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